Karte statt Kleingeldgeklimper

In der Passionskirche in Berlin-Kreuzberg kann mit der „digitalen Spendensäule“ bargeldlos gespendet werden

Von Uli Schulte Döinghaus

In der Kreuzberger Passionskirche liegen die analogen und digitalen Zeiten gerade mal zwei Meter auseinander. Hinter dem Eingang rechts ist ein ganz normaler Spendenkasten an einer Säule verankert. Wer Münzen oder Scheine spenden will, muss den guten, alten Schlitz am Kasten suchen. Ein paar Schritte links davon steht, etwas versteckt im Halbdunkel, eine anderthalb Meter hohe, schmale Säule aus poliertem Edelstahl. Auch sie hat einen Schlitz, aber nicht für Münzen und Scheine: Ähnlich wie am Bankomat führt man hier seine Bankkarte ein und kann dann bargeldlos spenden. Der gespendete Betrag landet im Kontoauszug und kann steuermindernd abgesetzt werden.

Dieser Opferstock kann nicht geklaut werden

Solche Spendensäulen sind uninteressant für Diebe. Aber das ist nur einer der Vorteile des digitalen Spendens, die Pfarrer Peter Storck von der Kirchengemeinde Heilig-Kreuz-Passion aufzählt. Ein weiteres Plus sei, so Storck, dass die Überweisungen, die von der Spendensäule ausgehen, direkt in der Buchhaltung der Kirchengemeinde landen. Keine Zeit vergeht mit Münzenzählen. 

Irrtümer sind so gut wie ausgeschlossen. Teurer Bargeldtransfer, der vielen Kirchengemeinden heutzutage Verdruss bereitet, entfällt. Das System „Digitale Spendensäule“ scheint sich auszuzahlen. Der stählerne Quader kostet 5000 Euro in der Anschaffung – der Kirchenkreis Berlin Stadtmitte übernahm eine Anschubfinanzierung von 2500 Euro –, die laufenden Kosten liegen bei rund 30 Euro im Monat. 

Während Pfarrer Storck über die Erfahrungen berichtet, die in der Kirchengemeinde seit der vergangenen Adventszeit gemacht wurden, hört der etwa 25 Jahre alte Nico Scholz interessiert zu. Er arbeitet nebenan in einem gutfrequentierten Café. Manchmal, so wie heute, nutzt er seine Pause für ein paar Minuten Stille in der Passionskirche. Er kramt seine EC-Karte raus und probiert die Säule aus. Karte rein, Geldbetrag eingeben, fertig. Am Ende zeigt er sich recht angetan, wenn auch nicht begeistert. „Könnte ich mir durchaus vorstellen“, sagt er knapp. „Das ist doch zeitgemäß.“

Was Nico Scholz so lakonisch kommentiert, könnte für viele Kirchen künftig interessant sein – zumal für vielbesuchte Gotteshäuser wie die Passionskirche, wo in pandemiefreien Zeiten fast jeden Abend Konzerte sind. Beseelte Besuchende zahlen dann schon mal ein Extrageld an der Spendensäule. 

Der Spenden-Anlass kann von Tag zu Tag gewechselt werden. Mal ist es die normale Sonntagskollekte für Projekte in der Landeskirche oder der Gemeinde, mal eine Kampagne für Berliner Obdachlose in bitteren Winterzeiten. Wer spontan helfen will, dem kommt die Spendensäule gerade recht.

Die „Kinderkrankheiten“ sind mittlerweile behoben. Die ersten Erfahrungen, so Gemeindepfarrer Storck, „sind ermutigend“. Über die Spendensäule sind rund um Weihnachten mehrere hundert Euro angekommen – ein Vielfaches der laufenden Kosten.

Mittlerweile in acht Berliner Kirchen – und im Zoo

Wenn etwas zu überprüfen oder zu reparieren sein sollte, dann ist der Service nah und schnell. Entwickelt, gewartet und gemanagt wird das digitale Spendensystem von der Berliner Firma „Digital.Wolff“. Sie vertreibt und betreut auch eine Kollektenapp und den „Digitalen Klingelbeutel“. Mitgründerin und Projektleiterin Hannah Jo Wolf, Gemeindekirchenrätin in der Berliner Tiergartengemeinde, sagt: „Das Projekt hat sich im Rahmen von Gesprächen mit Verantwortlichen aus Berliner Kirchengemeinden entwickelt.“

Spendensäulen stehen seither in acht Berliner Kirchen, darunter dem Berliner Dom – aber auch im Berliner Zoo, versteckt in einem putzigen Tierchen. Außerhalb Berlins hat „Digital.Wolff“ Säulen unter anderem in Flensburg, Kassel, Nürnberg und in der Frauenkirche Dresden aufgestellt. Die durchschnittliche Spendenhöhe beträgt zehn Euro, das durchschnittliche monatliche Spendenaufkommen pro Säule 700 Euro.