Nicht viele können sich in Kamerun an eine Wahl ohne Paul Biya erinnern. Denn der Präsident des zentralafrikanischen Landes steht am Sonntag zum achten Mal zur Wahl und regiert seit 1982. Zugleich sind nur etwa drei Prozent der Kamerunerinnen und Kameruner älter als 65 Jahre, rund die Hälfte der Bevölkerung ist jünger als 18 Jahre alt.
Nun will der 92-Jährige erneut wiedergewählt werden, und seine Chancen stehen gut, dafür hat er gesorgt. Rund 8 Millionen der etwa 30 Millionen Einwohner sind zur Wahl registriert, so viele wie nie zuvor. Insgesamt treten elf weitere Kandidaten und eine Kandidatin an. Der aussichtsreichste Oppositionskandidat Maurice Kamto wurde allerdings von der Wahlbehörde ausgeschlossen, wie 71 weitere Anwärter. Menschenrechtsorganisationen reagierten darauf mit scharfer Kritik.
Kamto hatte bereits 2018 den Wahlsieg für sich beansprucht. Ende September rief er die Opposition dazu auf, sich in einer Koalition hinter einem Kandidaten zu versammeln, um dem “tiefen Verlangen nach Veränderung” gerecht zu werden. Das ist bisher nicht geschehen.
Biya war vor seiner Präsidentschaft bereits Ministerpräsident von 1975 bis 1982 – seit 50 Jahren besetzt er oberste Staatsämter. Offiziell hat der Wahlkampf zwei Wochen vor der Abstimmung begonnen, doch öffentliche Auftritte sparte sich der Dauerpräsident bisher. Stattdessen gab es ein KI-generiertes Video als Wahlkampfspot. In den vergangenen Jahren wurden seine öffentlichen Auftritte immer seltener. Einen Großteil seiner Zeit verbringt er in der Schweiz. Dennoch ist das Regime rund um Biya so etabliert, dass wenige sich eine Veränderung vorstellen können.
Zugleich wird Biya vorgeworfen, mehrere Wahlen zu seinen Gunsten gefälscht zu haben. Er ist der älteste und der am längsten amtierende Staatschef auf dem afrikanischen Kontinent. In den vergangenen Jahren hat er den Raum für Kritik weiter eingeschränkt – Journalisten wurden ermordet, Versammlungsverbote verhängt.
Der Politologe Wallace Numvi beobachtet aber, dass sich das öffentliche Bild des Präsidenten erstmals wandelt. “Es ist Zeit für ihn, loszulassen.” Seit Jahrzehnten hofften die Menschen auf einen Ausbau der Infrastruktur und mehr Möglichkeiten für die Jugend. Doch weil sich nichts ändere, seien die Menschen verzweifelt, sagt der Dozent für Politikwissenschaften an der Universität in Bamenda im Nordwesten des Landes.
Zwei Kandidaten aus dem Norden, die beide schon in Biya-Regierungen Ämter innehatten, gewinnen aktuell an Zuspruch. Issa Tchiroma war Kommunikations-, Verkehrs- und Arbeitsminister; Bello Bouba Maigari war Tourismusminister und Ministerpräsident. Auch der Parlamentsabgeordnete Cabral Libii tritt zur Wahl an, er ist mit 45 Jahren der zweitjüngste Kandidat und konnte bei der Wahl 2018 rund sechs Prozent der Stimmen auf sich vereinen.
Die ehemalige deutsche Kolonie Kamerun wurde nach dem Ersten Weltkrieg bis zur Unabhängigkeit unter britische und französische Verwaltung gestellt. Seit 2016 herrscht ein bewaffneter Konflikt in den zwei englischsprachigen Provinzen an der Grenze zu Nigeria zwischen Separatisten und dem Militär. Aktuell haben die Separatisten einen Lockdown bis Mitte Oktober verhängt.
Dadurch werde nur ein verschwindend geringer Anteil der eigentlich Wahlberechtigten in den betroffenen Regionen abstimmen können, sagt Politologe Numvi. Auch er werde nicht wählen gehen können. Die Regierung werde aber dafür sorgen, dass aus den Regionen trotzdem Stimmen für sie verzeichnet werden. Biya hat in den vergangenen 20 Jahren eine von ihm befehligte Sonderarmee geschaffen, der in dem Konflikt in den anglophonen Regionen schwere Gewalttaten vorgeworfen werden.
Biyas Tochter Brenda hat vor Kurzem dazu aufgerufen, bei den Wahlen im Oktober nicht für ihren Vater zu stimmen. Er habe dem kamerunischen Volk viel Leid zugefügt, sagte sie in einem TikTok-Video. „Ich hoffe, wir werden einen anderen Präsidenten haben.“