Jurist Dreier: Grundgesetz und Demokratie nicht in akuter Gefahr

Die Demokratie in Deutschland vor dem Ende? Der Würzburger Rechtsphilosoph Horst Dreier bleibt unaufgeregt. Manche Schwarzmalerei sei stark überzeichnet.

Der Jurist und Philosoph Horst Dreier sieht Rechtsstaat, Demokratie und Verfassung in Deutschland nicht im Grundsatz bedroht – auch nicht durch die AfD. “Manche malen da Dystopien an die Wand, vor allem bezüglich der Stärke der AfD. Das halte ich für stark übertrieben”, sagte Dreier der Zeitschrift “Christ in der Gegenwart” (Freitag). “Ich glaube nicht, dass die AfD in Thüringen eine Chance hat, 50 Prozent zu gewinnen. Und ich glaube nicht, dass sie bundesweit eine Chance hat, auch nur 30 Prozent zu gewinnen.” Von einer Mehrheit der AfD sei die Bundesrepublik “zum Glück weit entfernt”.

Der 75. Jahrestag des Grundgesetzes in der kommenden Woche falle aber in unruhige Zeiten, sagte Dreier. “Wir waren beim 50-jährigen Verfassungsjubiläum doch alle vergleichsweise hoffnungsfroh, dass es mit der Demokratie weltweit aufwärts gehen würde.”

Die Grundrechte strahlten heute auf die gesamte Rechtsordnung aus. Zuletzt habe das Verfassungsgericht in seinem Urteil zum Klimaschutz sogar die Wirkung von politischen Entscheidungen auf die kommenden Generationen in die Urteilsfindung einbezogen. “Was wir heute aus den Grundrechten rauslesen, hätten sich die Mütter und Väter des Grundgesetzes 1949 bei der Verabschiedung des Grundrechtskatalogs keinesfalls träumen lassen.”

Der Würzburger Staatsrechtler beschrieb, in Deutschland sei es gelungen, das vor 75 Jahren in Kraft getretene Grundgesetz auch auf neue, sich verändernde Fragen und Verhältnisse anzuwenden. Die Wirkung der Grundrechte habe sich in den Jahrzehnten stark erweitert. Nicht so sehr durch Verfassungsänderungen, sondern vor allem durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, sagte Dreier. “Man hat die Grundrechte extensiv ausgelegt, also ihren Schutzbereich so weit wie möglich ausgedehnt.”