Jugendliche trifft‘s besonders hart

Fast eine Million Mal pro Jahr kürzen Jobcenter Regelleistungen. Sozialverbände kritisieren die finanziellen Strafen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert ihre Abschaffung

Berlin – Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert die Abschaffung finanzieller Strafen für Hartz-IV-Bezieher. „Es ist geradezu absurd, welch ein Sanktionsapparat hier aufgebaut ist, um nach vereinzelten Leistungsverweigerern zu fahnden und sie abzustrafen“, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider in Berlin. Die Jobcenter sollten sich stattdessen mehr um die Qualifizierung und Vermittlung der Arbeitslosen kümmern.
Lediglich drei Prozent der rund 1,6 Millionen arbeitslosen Hartz-IV-Bezieher werden laut Schneider sanktioniert – in der Regel nicht, weil sie ein Jobangebot abgelehnt hätten, sondern wegen „verschusselter Termine“. Derartige Versäumnisse können die Jobcenter mit zeitlich begrenzten Kürzungen des Hartz-IV-Regelsatzes von derzeit 416 Euro bestrafen.
Als Hauptgrund der „sehr schlechten Vermittlungsquote“ der Arbeitsverwaltung, die Schneider auf sechs Prozent beziffert, nannte der Geschäftsführer des Wohlfahrtsverbands fehlende Arbeitsstellen und individuelle Vermittlungshemmnisse wie mangelnde Qualifikationen oder auch Probleme wie gesundheitliche Einschränkungen. Schneider: „Wir wissen, dass etwa 400 000 Langzeitarbeitslose im Hartz-IV-Bezug derzeit auf dem ersten Arbeitsmarkt so gut wie gar nicht vermittelbar sind.“ Für sie forderte er einen sozialen Arbeitsmarkt.
Schneider begrüßte in diesem Zusammenhang die Absicht der Bundesregierung, 150 000 Stellen in einem sozialen Arbeitsmarkt zu schaffen. Das Volumen sei allerdings angesichts deutlich mehr Arbeitsloser und sehr schwer vermittelbarer Menschen zu gering.
Auch die anderen Sozialverbände fordern eine Überarbeitung der Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger. Die finanziellen Kürzungen am Rande des Existenzminimums bedürften in jedem Einzelfall einer besonders gründlichen Begründung, teilte der Deutsche Caritasverband anlässlich einer entsprechenden Anhörung im Bundestag mit. Eine Reform der Regelungen im Sozialgesetzbuch sei überfällig. Besonders kritisch sehen die Verbände die härteren Sanktionen für Jugendliche unter 25 Jahren und Strafen gegen Familien mit minderjährigen Kindern.  
Von Letzteren sind nach Angaben des Deutschen Kinderhilfswerks jeden Monat Zehntausende Kinder und Jugendliche betroffen. Das verstoße „gegen das in der UN-Kinderrechtskonvention normierte Recht auf soziale Sicherheit und angemessene Lebensbedingungen“. „Sanktionen treffen Kinder in sozialer, psychischer und gesundheitlicher Hinsicht besonders hart“, unterstrich Bundesgeschäftsführer Holger Hofmann.
Auch Detlef Scheele, Chef der Bundesagentur für Arbeit, äußerte sich kritisch zu scharfen Sanktionsregeln für Jüngere: „Drohende Wohnungslosigkeit hilft uns bei der Vermittlung und auch sonst nicht weiter.“ Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will jetzt vor allem diese Regeln prüfen. Grundsätzlich aber findet Heil Sanktionen richtig, „weil die Gesellschaft für Unterstützung eine Gegenleistung erwarten kann“.epd/UK