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Jugendämter: Deutlich mehr Kinder sind in ihren Familien in Gefahr

Misshandlung, Vernachlässigung, psychische Gewalt: Immer mehr Kinder in NRW leben in ihren Familien in gefährliche Situationen. Vor allem Fälle mit akuter Gefahr für Leib und Leben des Kindes haben zugenommen.

Deutlich mehr Kinder als vor fünf Jahren sind laut den Jugendämtern in Nordrhein-Westfalen von Vernachlässigung, Misshandlungen oder anderen Kindeswohlgefährdungen betroffen. In 17.230 Fällen stellten die Behörden im vergangenen Jahr eine Gefährdung des Kindeswohls fest. Das sind fast 25 Prozent mehr als 2019, wie das Statistische Landesamt am Donnerstag in Düsseldorf mitteilte.

Bei 9.049 Kindern sahen die Jugendämter eine Kindeswohlgefährdung durch Vernachlässigung. Bei 6.351 Kindern gab es Anzeichen für eine psychische und bei 5.742 für eine körperliche Misshandlung. In 1.272 Fällen stellten die Jugendämter Anzeichen für sexuelle Gewalt fest. Pro Kind können mehrere Anzeichen einer Gefährdung vorliegen.

Vor allem gab es den Statistikern zufolge einen überdurchschnittlichen Anstieg der Fälle einer akuten Kindeswohlgefährdung. Das bedeutet, dass das zuständige Jugendamt nicht ausschließen kann, dass dem Kind akut erhebliche Schäden oder Lebensgefahr drohen. Die Jugendämter nahmen 10.970 Einschätzungen mit diesem Ergebnis vor, das waren gut 50 Prozent mehr als fünf Jahre zuvor. Latente Kindeswohlgefährdungen gab es mit 6.260 Fällen etwas weniger als vor fünf Jahren. Bei einer latenten Gefährdung lässt sich die akute Gefahr nicht eindeutig feststellen, sie kann aber auch nicht ausgeschlossen werden.

Die Jugendämter bekamen gut ein Drittel mehr Hinweise auf mögliche Kindeswohlgefährdungen. In rund einem Viertel der Fälle stellten die Behörden dann eine akute oder latente Kindeswohlgefährdung fest, bei einem Drittel der Verdachtsfälle wurde zwar keine Kindeswohlgefährdung, jedoch ein Hilfebedarf festgestellt. In den meisten Fällen (41 Prozent) sahen die Ämter weder eine Kindeswohlgefährdung noch einen Hilfebedarf.

Die meisten Hinweise auf mögliche Kindeswohlgefährdungen erreichen Jugendämter durch Polizei, Gerichte oder Staatsanwaltschaften. Aber auch aus den Schulen, von Bekannten und Nachbarn oder anonym gebliebenen Beobachtern gab es Hinweise.