Jüdische Bittbriefe an den Papst als Lehrstoff

Geschichten der Verfolgung: Forscher der Uni Münster haben tausende Briefe von Juden analysiert, die sich in ihrer Not im Zweiten Weltkrieg an den Vatikan gewandt haben. Ihre Erfahrungen sollen für die Nachwelt gesichert werden.

Der jüdische Sänger Siegbert Steinfeld hat 1944 den Papst per Brief um Schutz vor seinen Verfolgern gebeten. Seine Geschichte findet sich in einem von rund 10.000 Bittbriefen von Juden an Papst Pius XII., die von Forschern der Universität Münster ausgewertet wurden. Mit dem Projekt “Asking the Pope for Help” (Den Papst um Hilfe bitten) haben die Forscher nun Unterrichtsmaterial für Schüler entwickelt, wie das Münsteraner Internetportal kirche-und-leben.de berichtete (Montag). Die Aktion solle persönliche Einblicke in die Schicksale verfolgter Juden in der NS-Zeit ermöglichen.

Demnach stammen die Unterlagen aus den 2020 geöffneten Archiven des Vatikans aus der Zeit Pius’ XII. Ein Team rund um den Kirchenhistoriker Hubert Wolf arbeitet die bislang entdeckten Schreiben an Papst und Kurie, dazugehörige Korrespondenz sowie Biografien der Verfolgten auf und macht sie in einer digitalen Edition zugänglich. Das Material ist auf der Internetseite der Katholisch-Theologischen Fakultät der Uni Münster abrufbar.

Laut Bericht bietet die Quellensammlung eine neue und in dieser Anlage einzigartige didaktische Perspektive. Das Projekt schlage eine Brücke, indem es die Briefe der Verfolgten in ihren historischen Kontext setze und mit Erkenntnissen der Kirchengeschichte verknüpfe. “Durch die kritisch aufbereiteten Quellen aus der Perspektive der Verfolgten schließen wir eine wichtige Lücke in der Überlieferung und geben den zu Opfern gemachten Menschen mittels ihrer eigenen Geschichte ihren Status als handelnde Akteure zurück”, sagte Projektleiter Hubert Wolf laut kirche-und-leben.de.

Auch vor dem Hintergrund, dass Gespräche mit Zeitzeugen in Schulen aufgrund ihres Alters bald der Vergangenheit angehören, seien die Briefe der Verfolgten von großer Bedeutung. Neben Tagebuchaufzeichnungen böten sie die einzige Möglichkeit, unmittelbare Einblicke in persönliche Erfahrungen vor und während der Verfolgung zu gewinnen.