Die Schriftstellerin Judith Hermann (53) ist am Sonntag im Braunschweiger Staatstheater mit dem mit 30.000 Euro dotierten Wilhelm-Raabe-Literaturpreis 2023 ausgezeichnet worden. Sie wurde für ihr Buch „Wir hätten uns alles gesagt“ geehrt. Es changiere zwischen Realität und Fiktion, zwischen Zeigen und Verbergen und lasse so einen atmosphärisch dichten Schwebezustand entstehen, der nicht nach Auflösung verlange, heißt es in der Begründung der Jury. Der Preis wird vom Deutschlandfunk und der Stadt Braunschweig gestiftet.
Hermanns Werk verdichte das literarische Schaffen eines Vierteljahrhunderts, urteilte die Jury. Ein Gespinst aus Verweisen, Motiven und Anspielungen auf Ereignisse der Vergangenheit sei nicht nur mit ihrer eigenen Familiengeschichte und deren Verletzungen verbunden. Es eröffne auch Raum für die Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts. „Das Vermögen von Hermann besteht darin, das Nicht-Sagbare und die existenzielle Verunsicherung aufscheinen zu lassen und ihnen eine sprachliche Form zu verleihen, die voller Anmut und von geradezu metaphysischem Trost ist.“
Mit dem Preis wird jährlich ein in deutscher Sprache verfasstes erzählerisches Werk ausgezeichnet, das im laufenden Kalenderjahr erschienen ist. Die Auszeichnung erinnert an den gesellschaftskritischen Schriftsteller Wilhelm Raabe (1831-1910), der in Braunschweig starb. Zu den Geehrten gehören Christian Kracht, Marion Poschmann, Heinz Strunk, Sibylle Lewitscharoff und Gert Loschütz. Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung an den tschechisch-deutschen Schriftsteller Jan Faktor.