Journalistin: Kein Medium muss bei Elon Musks Plattform mitspielen

Die österreichische Journalistin Ingrid Brodnig sieht für Medien und staatliche Institutionen keine Verpflichtung, bei dem Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) zu bleiben. „Kein Medium, keine offizielle Stelle muss auf der Plattform von Elon Musk mitspielen“, sagte die Digitalexpertin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Musk habe X für Medien ziemlich kaputt gemacht. Seit dessen Übernahme seien die Zugriffe auf Inhalte vieler Medien eingebrochen, Journalisten und Journalistinnen seien nicht mehr als solche verifiziert, und gleichzeitig seien extremistische Personen freigeschaltet worden, kritisierte Brodnig.

Am Dienstag hatte der Deutschlandfunk auf X bekannt gegeben, seinen Account zu deaktivieren. Die Entscheidung stieß bei X-Usern auf Kritik: Damit überließen etablierte Medien die Plattform den Fake- und Hass-Accounts. Auf Anfrage des epd sagte ein Sprecher des Deutschlandradios, zu dem der Deutschlandfunk gehört, am Mittwoch in Berlin, dass inzwischen nach und nach alle Konten auf X stillgelegt seien, weil die Plattform für die Verbreitung der Inhalte kaum noch eine Rolle spiele. Zudem habe man den Eindruck gewonnen, dass die Content-Moderation deutlich zurückgefahren worden sei.

Brodnig sagte, dass es insgesamt wichtig sei, dass Medien nicht alle sozialen Plattformen verließen, weil ein relevanter Teil der Deutschen auf sozialen Netzwerken unterwegs sei. „Zum Beispiel junge Menschen erreichen die Medien über soziale Netzwerke“, sagte Brodnig.

Sie kritisierte, bei X hätten etablierte Journalisten und Medien durch das neue Verifizierungssystem ihren blauen Haken verloren. Nun könne sich jeder einen blauen Haken kaufen. „Damit konkurrieren Medien mit aggressiven oder fragwürdigen Accounts“, sagte Brodnig. Medien müssten nun prüfen, auf welchen sozialen Netzwerken die begrenzten Ressourcen besser investiert seien als auf X. Vielleicht gebe es keine Plattform, die X ersetzen könne, wohl aber viele unterschiedliche Netzwerke. „Das ist natürlich eine Herausforderung für jedes einzelne Medium, herauszufinden, wo sich die für sie relevante Zielgruppe aufhält“, sagte Brodnig.

2022 hatte der Unternehmer Elon Musk das soziale Netzwerk gekauft, das zum damaligen Zeitpunkt Twitter hieß, und benannte es um in X. Seither, so Kritiker, habe sich der Kurznachrichtendienst stark verändert: Vermehrt verließen Nutzer die Plattform, Content-Moderatoren fehlten, Hassrede nehme zu. Zudem änderte Musk das Verifizierungssystem, so dass viele offizielle Stellen den blauen Haken verloren, der sie als Urheber authentischer und geprüfter Informationen bestätigte. Seither kann sich jeder Account, der dafür zahlt, einen blauen Haken zulegen.