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Tag der Jogginghose: Jogginghose hat sich schon vor Corona etabliert

Früher als Schlabberhose verunglimpft, ist die gemütliche Baumwollhose längst ein selbstverständlicher Teil der Garderobe. Eine Modesoziologin sieht in ihr ein Symbol der “flexiblen Moderne”.

Jogginghosen sind längst nicht mehr nur etwas für zu Hause. Nur an manchen Schulen gibt es ein Jogginghosen-Verbot
Jogginghosen sind längst nicht mehr nur etwas für zu Hause. Nur an manchen Schulen gibt es ein Jogginghosen-VerbotImago / Funke Foto Services

Während der Corona-Pandemie ist sie ein fester Bestandteil in der Garderobe vieler Menschen geworden: die Jogginghose. Dabei galt es abseits des Sports lange Zeit eher als proletarisch und peinlich, sie zu tragen. Mode-Zar Karl Lagerfeld attestierte ihren Trägern sogar einen “Kontrollverlust” über ihr Leben. Inzwischen gibt es Jogginghosen in allen Farben, Materialien und Preisklassen – und auch Lagerfeld schickte später Models in Jogginghosen und Sneakern auf den Laufsteg. “Die Jogginghose hat sich etabliert”, sagt Antje Drinkuth, Professorin an der Akademie Mode und Design in Berlin. Ihr zufolge ist die Hose ein breiter Trend geworden, der sich über Jahre halten könnte.

Am Internationalen Tag der Jogginghose – dem 21. Januar – wird man sie vielleicht besonders oft sehen. Diesen Tag haben laut der Website Jogginghosentag.de vier junge Männer aus Österreich 2010 ausgerufen, als sie mit ihren Klassenkameraden beschlossen, allesamt in Jogginghosen zur Schule zu gehen. Über soziale Netzwerke fand die Aktion viele Nachahmer – und inzwischen gilt der Tag als gesetzt. Selbst FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann zeigte sich vor zwei Jahren aus Anlass des kuriosen Feiertags auf Instagram in grauer Jogginghose, Bluse und Blazer. Obenherum schick, untenherum bequem: So saßen viele Menschen vom Angestellten bis zum Firmenchef während der Pandemie in Videokonferenzen.

Expertin: Jogginghose kann zu fast jedem Anlass getragen werden

“Sie ist einfach bequem, da zwickt nichts”, sagt Drinkuth. Für die Mode-Expertin hat die Jogginghose neben der Bequemlichkeit weitere Vorteile: Sie sei saisonunabhängig und könne inzwischen zu fast jedem Anlass getragen werden. “Damit ist die Jogginghose in gewisser Weise auch nachhaltig”, so Drinkuth. Sie ließe sich “wunderbar down- und updressen”, also etwa mit einem eleganten Blazer oder hohen Schuhen kombinieren.

 

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Eine Nike-Werbung bestätigt, dass Jogginghosen und -anzüge nicht mehr nur auf dem Sportplatz zum Einsatz kommen: “Ob du über den roten Teppich schreitest oder auf der Couch abhängst”, bewirbt der weltweit größte Hersteller von Sportartikeln eine aktuelle Kollektion.

Gucci, Nike und Adidas entwerfen Luxus-Jogginghosen

Heute bringen selbst Designer-Labels wie Gucci oder Jacquemus in Zusammenarbeit mit Sportmarken wie Nike oder Adidas Luxus-Streetwear auf den Markt, wie Drinkuth berichtet. Eine Jogginghose sei auch nicht mehr unbedingt auf den ersten Blick als solche erkennbar, sagt Melanie Haller, Modesoziologin an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg. “Sie haben eine ganz andere Ästhetik, verweisen im Stil aber immer noch auf den Jogginganzug.” So seien sie in der Silhouette zum Beispiel schmaler oder kämen mit Stehkragen daher.

Nach Angaben der Mode-Expertinnen ist die Jogginghose heute vor allem bei der Generation der 20- bis 29-Jährigen, der sogenannten Gen Z, beliebt. “Sie interpretieren und spielen modisch mit ihr”, erklärt Drinkuth. “Dadurch wird sie auch für andere Generationen begehrenswert – weil sie jung bleiben möchten”, sagt Wissenschaftlerin Haller. Vorbilder für das Spiel mit der Mode gibt es laut Drinkuth aus der Popkultur zuhauf: Rihanna oder Justin Bieber hätten die Schlabberhose als prominente Jogginghosen-Träger salonfähig gemacht.

Nur in Schulen sind Jogginghosen nicht gern gesehen

Gleichwohl ist sie zumindest an manchen Schulen noch immer nicht gern gesehen. Im Frühjahr des vergangenen Jahres erregte etwa eine Schule im nordrhein-westfälischen Wermelskirchen Aufsehen, weil sie Schüler und Schülerinnen in Jogginghosen nach Hause schickte. Die Schule begründete ihr Vorgehen unter anderem damit, ihre Schülerschaft auf ein Leben in der Öffentlichkeit und im Arbeitsleben vorbereiten zu wollen. Modesoziologin Haller hält dieses Vorgehen indes für fragwürdig. “Jugendliche wollen sich mit ihrer Kleidung abgrenzen. Ihnen diesen Identitätsprozess durch ein Verbot zu verwehren, halte ich für falsch”, sagt sie.

Ferner müsse man, um heute Geld zu verdienen, nicht mehr zwangsläufig im Anzug oder Kostüm ins Büro gehen. “Unsere Gesellschaft und ästhetische Kultur sind viel informeller geworden”, sagt Haller. Für sie symbolisiert die Jogginghose die Entgrenzung von Privat- und Berufsleben. “Die Hose steht symptomatisch für die flexible Moderne, in der wir alles gleichzeitig machen. Arbeiten, Sport, auf dem Sofa abhängen”, sagt Haller.

Als subtilen Protest gegen die Leistungsgesellschaft will die Modesoziologin das Kleidungsstück jedoch nicht durchgehen lassen. Haller: “Das Tragen von Jogginghosen kann höchstens ein Protest gegen die veraltete Idee der Leistungsgesellschaft sein. Ein Protest dagegen, dass man nur in bestimmter Kleidung als leistungsbereit gilt.”