Jetzt beginnt das „Jahr der christlich-jüdischen Zusammenarbeit“
Aus der „Woche der Brüderlichkeit“ wird jetzt das „Jahr der christlich-jüdischen Zusammenarbeit“ mit dem Thema „The Sound of Dialogue – Gemeinsam Zukunft gestalten“. Was kann erreicht werden?
„Eine Oase des Nachdenkens“ so der Titel der Sonderausgabe der Allgemeinen Wochenzeitung der Juden in Deutschland, 1952. Und weiter: „Die „Woche der Brüderlichkeit“ sollte Anlass zu gründlichem Nachdenken geben.“ Das hat sie 72 Jahre lang getan und in ihrem Rahmen wurde in bewährter Weise der christlich-jüdische Dialog befördert und gepflegt mit vielen Veranstaltungen und Begegnungen.
In diesem Jahr wurde nach einem zweijährigen Prozess der Begriff „Woche der Brüderlichkeit“ ersetzt durch „Jahr der Christlich-Jüdischen Zusammenarbeit“. Es waren der Begriff der „Brüderlichkeit“, der Anstoß erregte und die zeitliche Fokussierung auf eine Woche, die in der Praxis schon längst variabler gehandhabt wurde, die zur Veränderung führten.
Eröffnung der Christlich-Jüdische Zusammenarbeit am 3. März
Die bundesweite Eröffnung der Christlich-Jüdische Zusammenarbeit erfolgt in diesem Jahr am Sonntag, dem 3. März 2024, beziehungsweise 5784/5785 (des jüdischen Kalenders) in Mainz mit einem Festakt und der Verleihung der Buber- Rosenzweig–Medaille an Igor Levit. Der Pianist und Aktivist wird für seinen Einsatz gegen jede Form der Menschenfeindlichkeit, seien es Antisemitismus, Rassismus oder andere Formen der Diskriminierung und für eine freie, demokratische und vielfältige Gesellschaft geehrt. Das Verhältnis von Juden und Christen hat sich in den 72 Jahren verändert. Heute heißt es manchmal, Juden sind die älteren Geschwister der Christen. Und Christen und Juden sind gemeinsam auf dem Weg. Dieser Weg war und ist weiter lang und nicht einfach.
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In diesen Tagen sind Juden aktuell vielfältig im Gespräch und stark mit Antisemitismus konfrontiert, zum Beispiel auf unseren Straßen und in (Bildungs-)Einrichtungen. Gewalt nimmt zu. Ängste und Verunsicherungen werden größer. Auseinandersetzungen um Terror und Krieg werden härter. Beispielhaft nenne ich die Auseinandersetzungen um die Materialien für den Weltgebetstag in diesem Jahr.
Kampf gegen Antisemitismus bleibt Herausforderung
Der Kampf gegen Antisemitismus ist geblieben und fordert uns als Christinnen und Christen neu heraus. Christen stehen an der Seite der Juden und vor Synagogen und vor jüdischen Einrichtungen zum Schutz. Christen und Juden stehen zusammen in Gottesdiensten und Friedensgebeten. Wir wissen, Antisemitismus hat auch Ursachen im Christentum, im Antijudaismus. Diese immer wieder deutlich zu benennen und dagegen aufzustehen, ist Aufgabe auch in unseren Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen. Ebenso Themen der christlich-jüdischen Zusammenarbeit an die Basis unserer Gemeinden zu bringen und durch Begegnungen erfahrbar werden zu lassen.
Die Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) haben viele Erfahrungen im Dialog gemacht und können diese in den interreligiösen Dialog und in die Gesellschaft einbringen, zum Beispiel in Projekten des Trialogs von Christen, Juden und Muslimen. Im Berliner Forum der Religionen wirkt die GCJZ mit. Dies kann einen Beitrag zum besseren Verständnis und Miteinander zwischen den Religionen leisten und zur Gestaltung in einer auseinander driftenden Gesellschaft sein. Erinnern (hebräisch: „Sachor“) und Bildungsarbeit, auch gerade wenn Zeitzeugen nicht mehr präsent sind, ist dringend notwendig, um geschichtliches Wissen zu vermitteln und was unsere Gesellschaft trägt.
Christen und Juden stehen unter dem Wort der Hebräischen Bibel: „Suchet der Stadt Bestes […] und betet für sie zum HERRN; denn wenn’s ihr wohl geht, so geht’s euch auch wohl“ (Jeremia 29,7). Dies verbindet Juden und Christen und bildet einen gemeinsamen Auftrag zur Gestaltung der Stadt, der Gesellschaft. Hierfür stehen auch: Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung.
Jahresthema „The Sound of Dialogue“
Das diesjährige Jahresthema „The Sound of Dialogue – Gemeinsam Zukunft gestalten“ konkretisiert das Jeremia-Wort im Einsatz für ein Gestalten der Zukunft.
Musik vermag Menschen jenseits von Worten und über kulturelle, religiöse und soziale Barrieren zu berühren. Musik kann zusammenführen, aber auch missbraucht werden, um Menschen gegeneinander aufzubringen. In zahlreichen Veranstaltungen wird das Leitwort aufgegriffen.
Die Berliner GCJZ greift das Musik-Thema auf und verleiht die Jeanette-Wolff-Medaille an den Gründer und bisherigen Festivaldirektor des Louis-Lewandowski-Festivals Nils Busch-Petersen in der Festveranstaltung am 7. Mai 2024. Sie sind eingeladen sich zu engagieren, „gemeinsam Zukunft (zu) bauen“. Kommen wir miteinander ins Gespräch.
Bernd Streich ist katholischer Vorsitzender der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Berlin.