Jesus mein Heiland, Trump mein Präsident

Glaubt man Lance Wallnau, dann erhebt Gott in schwierigen Zeiten „unwahrscheinliche Retter“ – Führer wie der ehemalige US-Präsident Donald Trump, der im November erneut zur Wahl antritt. Die demokratische Kandidatin und Vizepräsidentin Kamala Harris hingegen bringt laut Wallnau einen „Geist des Okkulten“ zum Ausdruck.

Wallnau ist ein prominenter Prediger, der der sich als Prophet sieht in einem spirituellen Kampf, und in rechten Kreisen in den USA wohlbekannt. Ende September sprach Trumps designierter Vize J.D. Vance bei einer Veranstaltung Wallnaus in Pennsylvania. Vance warnte vor Einwanderung. Er rechtfertigte seine Abschiebungsforderungen mit der Bibel. Der christliche Gedanke sei, dass man die stärkste Verpflichtung gegenüber seiner eigenen Familie habe. Christliche Führer sollten sich in erster Linie um die eigenen Leute kümmern.

Manche konservative Christen sehen in diesem Wahlkampf ein spirituelles Ringen gegen das Böse. Viele Gläubige haben zu Trump gefunden, bestärkt durch dessen „Errettung“ bei zwei Attentatsversuchen. Der Begriff „christlicher Nationalismus“ geistert durch die Politik. Die USA seien eine christliche Nation und müssten entsprechend regiert werden. Wallnau sprach im Sender CBS von einer in den USA existierenden „biblisch orientierten“ Gemeinschaft von 20 bis 30 Millionen Menschen. Trump sei ein „nur einmal in tausend Jahren erscheinender Meteor“.

Solches Gedankengut wird der lose organisierten „New Apostolic Reformation“ (NAR) zugeschrieben, eine der pfingstkirchlichen Theologie entstammenden Bewegung, die sich in den USA in vergangene Jahren stark verbreitet hat. Zur Theologie gehört die Lehre, nach der Gläubige Einfluss gewinnen müssen auf Regierung, Wirtschaft, Medien, Unterhaltung, Bildung, Familie und Religion.

Wenige Wochen vor der Wahl wollen spirituelle Kriegerinnen und Krieger am Samstag in Washington zum Gebet und Fasten für die Nation zusammenkommen. Angestoßen wurde die Kundgebung von der charismatisch orientierten Pastorin Jenny Donnelly und dem Prediger Lou Engle.

Donnelly ist bekannt als Streiterin gegen die LGBT-Community und Trans-Menschen. Engle sprach von dem biblischen Buch Esther, in dem die jüdische Esther, Frau des persischen Großkönigs, die Juden in Persien vor dem Genozid rettet. Zehntausende Feinde der Juden werden getötet. Frauen in den USA müssten heute zu „Esthern“ werden, betonte Engle. Gott werde in die Geschichte eingreifen.

In „The Violent Take it by Force“ schreibt der Religionswissenschaftler Matthew Taylor über diese „besondere Art des amerikanischen Christentums“ dessen Radikalisierung Pluralismus und Demokratie bedrohe. Er arbeitet am Institut für islamische, christliche und jüdische Studien in Baltimore. Die „Propheten“ und „Apostel“ der Bewegung seien überzeugt, Christen müssten einflussreiche Posten in der Gesellschaft gewinnen und „von oben herab regieren“.

Der säkularen Welt und selbst vielen Christen sind solche Konzepte eher fremd. Allerdings: Bei einer im März vorgestellten Erhebung des Instituts „Pew Research Center“ erklärten 72 Prozent der befragten Protestanten und 86 Prozent der weißen Evangelikalen, die Bibel solle Einfluss haben auf Gesetze in den USA. Weiße evangelikale Christen gelten als die treuesten Anhänger Trumps. Rund 80 Prozent haben 2020 für ihn gestimmt.

Vizepräsidentin Harris will anscheinend trotz der schwierigen Ausgangslage auch um Stimmen aus dieser Wählergruppe kämpfen. Das Komitee „Evangelikale für Harris“ hat einen Wahlwerbungsclip online gestellt: Aussagen von Billy Graham, dem 2019 verstorbenen und verehrten Baptistenprediger, werden darin unkommentiert im Wechsel mit Trump-Aussagen zusammen geschnitten. Der fromme Prediger spricht von einem Sündenbekenntnis. Trump sagt, er wisse nicht, ob er jemals Gott um Vergebung gebeten habe.