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Jesuit über Stadtbild-Debatte: “Migration ist nicht das Problem”

Kritik am Kanzler: Der Jesuit Ansgar Wiedenhaus widerspricht der Aussage von Friedrich Merz zu Migration. Der Nürnberger Seelsorger warnt vor pauschaler Problematisierung von Vielfalt.

Pater Ansgar Wiedenhaus in der katholischen Kirche St. Klara in Nürnberg
Pater Ansgar Wiedenhaus in der katholischen Kirche St. Klara in Nürnbergepd-bild/Julia Riese

Der Nürnberger Seelsorger Ansgar Wiedenhaus hat die Äußerung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), Migration sei ein “Problem im Stadtbild”, scharf kritisiert. Wer Zuwanderung pauschal zum Problem erkläre, gebe den Reichtum einer pluralistischen Gesellschaft auf, sagte der Jesuit im Interview des Internetportals katholisch.de.

Wiedenhaus erklärte: “Mein Eindruck ist, dass er mit solchen Stellungnahmen versucht, die vermeintliche Sehnsucht nach einer guten alten Zeit zu bedienen – einer Zeit, in der nichts Fremdes ‘störte’. Nur: Diese Zeit hat es so nie gegeben.” Merz werfe mit seiner Äußerung “unzählige Menschen in einen Topf – Menschen, die unsere Gesellschaft prägen und bereichern”.

Was kulturelle Vielfalt für unsere Gesellschaft bedeutet

Mit der Gesellschaft habe sich auch das Stadtbild in den vergangenen Jahren verändert. Aber eine internationaler gewordene Gesellschaft sei nicht die Ursache “für unsere vermeintlichen oder echten Probleme”. Problematisch sei vielmehr, dass zahlreiche Menschen mit der Globalisierung überfordert seien. “Wir müssen klären, wie wir zusammenleben wollen, wie wir mit unterschiedlichen Kulturen und Lebensformen umgehen. Das ist anstrengend und macht manchmal Angst”, sagte Wiedenhaus. Da sei es zwar unsinnig, aber verführerisch, wenn Politiker sagten: “Ihr müsst Euch gar nicht ändern, wir schaffen das Problem einfach ab”. Die AfD mache nichts anderes.

In seinem Alltag sehe er, dass das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Nationalitäten “ziemlich gut” funktioniere, sagte Wiedenhaus. Seine Kirche werde von Menschen aus Polen, Kroatien, Italien, Spanien, Indien und mehreren afrikanischen Ländern besucht. “Das ist gelebte Normalität.” Soziale Probleme in Nürnberg würden nicht vorrangig von Migration verursacht. “Und schon gar nicht löst man solche Probleme durch Abschiebungen.”

Jesuit Wiedenhaus kritisiert negative Sprache in der Politik

Erschreckend ist für Wiedenhaus die Sprache vieler Politiker, die das Bild eines gescheiterten Deutschlands zeichneten. Tatsächlich sei so viel Gutes vorhanden. “Je weniger wir das anerkennen und wertschätzen, desto schwerer wird es, die echten Herausforderungen anzupacken.”

Anstatt über Angela Merkels Satz “Wir schaffen das” zu spotten, wäre es aus der Sicht von Wiedenhaus klug gewesen, Stolz zu entwickeln: “Wir sind ein Land, das Dinge schaffen kann!” Doch das Gegenteil sei der Fall gewesen. Der Ordensmann warnte: “Wer den Menschen ständig sagt: ‘Das schafft ihr nicht’, der redet ihnen den Mut aus, Probleme überhaupt anzugehen.”