“Die Lage ist ernst”, heißt es von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen: Jede zehnte Person in Deutschland habe ein Suchtproblem. “Noch weitaus mehr Menschen konsumieren Alkohol, Tabak und andere Suchtmittel in gesundheitsschädigender Weise, auch wenn keine Abhängigkeit vorliegt.” Zuletzt habe die Zahl der Drogentoten auf einem Höchststand gelegen. Zahlreiche Menschen seien als Angehörige, Freunde oder Kolleginnen von Suchterkrankungen mit betroffen.
Vor der Bundestagswahl am 23. Februar fordern die Fachleute mehr vorbeugende Maßnahmen und mehr zeitgemäße Hilfsangebote. Die nationale Sucht- und Drogenstrategie aus dem Jahr 2012 müsse aktualisiert und inhaltlich geschärft werden.
Kein Geld: Suchthilfe-Einrichtungen bedroht
Mittelkürzungen und -streichungen bedrohten vielerorts die Existenz von Suchthilfe-Einrichtungen, mahnte Geschäftsführerin Christina Rummel. Rund 1.300 kommunale Suchtberatungsstellen begleiten hierzulande Betroffene und deren Umfeld. Bereits im Herbst hatte die Hauptstelle mitgeteilt, dass drei Viertel dieser Stellen nicht über genügend Mittel verfügten, um ihre Aufgaben kostendeckend zu erfüllen. Bislang sei Suchtberatung keine gesetzlich verankerte Leistung, sagte Rummel. “Hier muss der Bund tätig werden.”
Zudem müsse das Cannabis-Gesetz weiterentwickelt werden, heißt es im Positionspapier der Fachstelle. Seit April 2024 erlaubt das Gesetz für Erwachsene den begrenzten Besitz und Konsum von Cannabis. Doch es sorge nicht für wirksame Prävention bei Gefährdeten und sichere nicht die Versorgung für jene ab, die cannabis-bezogene Probleme hätten, so die Kritik.
Allein die Abhängigkeit von Alkohol und Tabak belaste die Volkswirtschaft mit jährlich rund 150 Milliarden Euro, mahnte der Geschäftsführer der Hauptstelle, Peter Raiser. “Die Belastungen in den Kommunen und in der Gesellschaft werden weiter ansteigen, wenn die Politik nicht gegensteuert.”
Experten: “Kokainschwemme” macht Sorgen
Trotz finanzieller und sozialer Belastungen würden Hersteller und Händler nicht an den Folgekosten beteiligt, kritisiert die Fachstelle. Nötig sei eine zweckgebundene Abgabe auf legale Suchtmittel und Glücksspielangebote.
Sorge bereitet den Fachleuten auch eine “Kokainschwemme”, wie es heißt. Die Folgen des sich verbreitenden Crack-Konsums seien bereits dramatisch; synthetische Opioide wie Fentanyl drohten zu einer neuen Herausforderung zu werden. Hinzu kämen etwa Medikamentenabhängigkeit sowie Verhaltenssüchte wie Glücksspiel oder ein problematischer Umgang mit digitalen Medien. Um schneller reagieren zu können, brauche es ein “Substanz-Monitoring”: Verbreitung und Konsum bestimmter Substanzen veränderten sich mitunter rasant, wie sich zuletzt beim Lachgas gezeigt habe.
Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen: Abhängige werden stigmatisiert
Grundsätzlich erlitten Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen häufig Stigmatisierung, würden ausgegrenzt und abgelehnt. Dies führe dazu, dass viele sich keine Hilfe suchten oder erst zu einem späten Zeitpunkt. In diesem Bereich fordern die Fachleute mehr Aufklärung.
