Lale Akgün sieht große Gefahren durch einen extremistischen “Tiktok-Islam”. Radikale Islamisten seien dabei, Jugendliche gegen die liberale Gesellschaft aufzuhetzen. Sie kritisiert die deutsche Politik als zu lasch.
Die Islamismuskritikerin Lale Akgün wirft der deutschen Politik vor, die Gefahren des politischen Islams nicht ausreichend zu bekämpfen. Die ultrakonservativen bis islamistischen Verbände wie die vom türkischen Staat gelenkte Ditib oder die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) brächten ständig politische Botschaften im religiösen Gewand unter die Leute. Sie vertieften damit die Gräben innerhalb der Muslime und zwischen Muslimen und Andersgläubigen, sagte die Mitbegründerin des Arbeitskreises Politischer Islam (“AK Polis”) in einem Interview der “Welt” (Freitag). “Die Politik geht über dieses Problem nach wie vor hinweg.”
Akgün sieht zudem eine Verschärfung durch einen “extremistischen Tiktok-Islam”, der noch weit radikaler die Abtrennung von der vermeintlich ungläubigen deutschen Gesellschaft predige. “Im Internet, in Shisha-Bars oder Kampfsportschulen missionieren diese Extremisten vor allem Jugendliche. Auch in den Vorständen von Moscheevereinen gewinnen sie Einfluss.” Dadurch werde die Spaltung immer tiefer: “Dann sind wir ein geteiltes Land, weil uns nichts mehr eint, auch nicht das Dach einer gemeinsamen freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung. Die ist ja der erklärte Feind der fundamentalistischen Islam-Influencer.” Sie seien obendrein “tickende Zeitbomben, weil man nicht weiß, wann und wie sich das Gift auswirkt, das sie ihren Anhängern in Form von extremen Feindbildern einspritzen”.
Die SPD-Politikerin verwies auch auf einen Zusammenhang zwischen politischem Islam und Rechtsradikalen. “Islamismus und deutscher Rechtsradikalismus sind kommunizierende Röhren, sie treiben sich gegenseitig in die Höhe, weil sie einander das ideale Feindbild bieten.” Sie sagte, dass es liberalen Muslimen und reformerischen Gelehrten wie Mouhanad Khorchide nicht gelungen sei, ein Gegengewicht zum politischen Islam zu bilden.
Akgün sprach sich dafür aus, die Kooperation mit den Islam-Verbänden, den islamischen Religionsunterricht und das staatliche Dialogforum der Deutschen Islamkonferenz zu beenden. Statt des islamischen Religionsunterrichts sollte eine neutrale Islamkunde eingeführt werden, die über Glaubenswege sachlich informiere.
Als Grund für eine zu lasche Haltung der deutschen Politik nannte Akgün, dass Deutschland das islamische Ausland nicht völlig verprellen wolle. So sei die Bundesrepublik wirtschaftlich eng mit der Türkei verflochten. Außerdem besitze Präsident Recep Tayyip Erdogan ein mächtiges Druckmittel: Er könne die Grenzen öffnen und Flüchtlingsbewegungen auslösen.