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Internationale Jugendbibliothek zeigt Originale von Walter Trier

Erich Kästner und Walter Trier kamen aus unterschiedlichen Welten. Warum der Autor und der Illustrator dennoch gemeinsam so erfolgreiche Kinderbücher schufen, versucht eine Schau in München zu ergründen.

Ein in kräftigem Gelb gehaltenes Ambiente, in dem markant eine weiße Litfaßsäule steht. Genau dort haben sich Gustav mit der Hupe und Emil positioniert. Wer will, kann sich dazu gesellen und mit den Jungs aus sicherer Entfernung den zwielichtigen Herrn Grundeis beobachten, wie er voranschreitet. In der Internationalen Jugendbibliothek (IJB) in München ist derzeit das wohl bekannteste Titelbild eines Kinderbuchs als begehbare Kulisse dargestellt: Walter Triers Cover für Erich Kästners Bestseller “Emil und die Detektive”.

Vor 95 Jahren erschien dieses erste Kinderbuch von Kästner, zu dem ihn die Berliner Verlegerin Edith Jacobson angeregt hatte. Das Werk gilt als das erfolgreichste seiner Art im 20. Jahrhundert. Es wurde in 59 Sprachen übersetzt und mehrmals verfilmt. Einen Ikonenstatus erlangte zugleich der Buchumschlag. Obwohl die Szene im Roman überhaupt nicht vorkommt, ist das Bild Kult. 1999 schaffte es dieses sogar auf eine Briefmarke der Deutschen Post zum damals 100. Geburtstag von Kästner.

Alle reden dieser Tage wieder über den Autor, der am 23. Februar vor 125 Jahren in Dresden geboren wurde und am 29. Juli vor 50 Jahren in München starb. Die IJB würdigt ihn umfassend, nimmt aber das Jubeljahr zugleich zum Anlass, in einer Sonderschau an den kongenialen Künstler Trier zu erinnern. 60 Original-Illustrationen, die dieser zu Kästner-Büchern schuf, nennt das Haus sein Eigen – europaweit einmalig. Bis zum 22. September sind die Exponate zu sehen. Dazu gehören Bilder zu “Till Eulenspiegel”, “Münchhausen”, “Der Gestiefelte Kater”, “Das Feuerzeug” und zu dem lange vergessenen Bildersachbuch “The Jolly Steamer”.

Als siebtes und jüngstes Kind einer jüdischen Fabrikantenfamilie kam Trier am 25. Juni 1890 in Prag zur Welt. Es war eine glückliche, ja paradiesische Kindheit, die Walter mit seinen Geschwistern erlebte, wie IJB-Leiterin Christiane Raabe erzählt. Ihrer Fantasie durften die Kinder freien Lauf lassen, sich künstlerisch und sportlich betätigen. “Ging im Haus mal eine Scheibe zu Bruch, dann war es halt so”, erklärt Raabe. Diese Fröhlichkeit und Lebensbejahung spreche aus Triers Bildern. Erinnert sei etwa an “Pünktchen und Anton”, die Hand in Hand spazieren, während ihnen ein Hund hinterherläuft. Des Künstlers eigener Vierbeiner “Zottel” soll als Vorbild gedient haben.

Im Hause Kästner musste dagegen aufs Geld geschaut werden. “Muttchen” tat aber alles, damit der Sohn Lehrer werden würde. Der Humor Kästners war deshalb auch mehr der eines “Schulmeisters”, wie er selbst einmal einräumte.

Trier erhielt seine Ausbildung zunächst in seiner Heimatstadt an der Kunstakademie. 1908 wechselte er nach München zu Franz von Stuck. Satire- und Modezeitungen rissen sich bald um seine Zeichnungen. Mit ihnen sollte er, der mit Frau und Tochter ab 1925 in Berlin lebte, zum Chronisten der Weimarer Zeit werden.

Mit Kästner verband ihn eine wechselvolle künstlerische Beziehung. Bis 1935 machten sie sechs Werke zusammen. Bald erlaubten die Nazis nicht mehr, dass Trier seine Titelbilder signierte. Auch Kästner durfte nicht mehr unter seinem Namen veröffentlichen. Doch während der Autor in Deutschland blieb, emigrierte Trier mit der Familie nach London. Von 1936 bis 1947 gestaltete er alle Titelbilder für die Zeitschrift “Lilliput”, zudem fanden sich seine Karikaturen auf Propaganda-Flugblättern der Royal Air Force, die über den besetzten Gebieten abgeworfen wurden.

1947 zog Trier mit seiner Frau ins kanadische Toronto, wo seine Tochter mittlerweile lebte. Dort erreichte ihn zwei Jahre später die Bitte, Kästners Friedensparabel “Die Konferenz der Tiere” zu illustrieren. Jella Lepman, die Gründerin der IJB, hatte die Idee zu der Geschichte gehabt, weil die Sorge groß war, dass die Menschen aus zwei Weltkriegen nichts gelernt hätten. So packen Giraffen, Löwen und Elefanten ihre Koffer und kommen zu einem internationalen Treffen zusammen, denn “es geht um die Kinder”.

Die Tiere einigen sich darauf, alle Waffen abzuschaffen, so dass es keine Kriege mehr gibt. Auch die Grenzen werden aufgehoben. Und was wünschen sich Kinder heute? Auf Postkarten könnten sie in der Ausstellung notieren, wie sie sich eine friedliche Zukunft vorstellen. Ein großer Sack steht schon bereit, in dem alle gesammelt werden, um sie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu schicken.