Inner City Church: Kirche im digitalen Alltag

In einer Minute mit einem Gebet zu mehr Achtsamkeit? Das geht mit einem neuen Format bei Instagram und Youtube. Kanäle, auf denen Kirche die Chance hat, Menschen im Alltag zu erreichen.

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YoutubeImago / Christian Ohde

Achtsamkeit, Selbstfürsorge – auf sozialen Plattformen führt kaum ein Weg daran vorbei. Pastor Julian Sengelmann aus Hamburg findet bei allem Trendbewusstsein aber eines wichtig: „Die Gefahr bei overhypter Achtsamkeit und Selbstbezug ist, seinen Nächsten und seine Nächste aus dem Blick zu verlieren.“ Doch genau das ist für ihn das Kerngebot des Christentums, seinen Nächsten lieben wie sich selbst. „Kirche ist die perfekte Mischung zwischen Selbstliebe und Nächstenliebe“, betont er.

Der Pastor weiß, wie wichtig digitale Medien für die Kirche sind. Aus diesem Grund hat er mit dem Format „Inner City Church – digitaloge Kirche“ ein Andachts- und Gebetsformat im Netz geschaffen: „Es versucht, kleine Formate zu entwickeln, die Lebens- und Sehgewohnheiten von Menschen in digitalen Kontexten entsprechen.“ Dafür gibt es ein einminütiges Gebetsformat im Stil von Achtsamkeitsvideos und ein 15-minütiges Andachtsformat aus verschiedenen Hamburger Gemeinden.

Die digitalen Chancen jetzt nutzen

Mit „I say a little prayer for you“ geht der Pastor einmal im Monat bei Instagram und YouTube online. Die Eine-Minute-Gebete mit kurzem Video produziert und vertont er selbst. Die Idee: nicht zu viel Kirche, damit der Zuschauer nicht das Gefühl hat, mit dem Kreuz erschlagen zu werden. „Es ist so geschrieben und produziert, dass es die Menschen berührt“, erklärt Sengelmann. Ihm ist es wichtig, für das Gebet eine Sprache zu finden, die Menschen auch im Alltag sprechen: „Guter Gott, ich weiß ja, dass Zeit relativ ist“, beginnt beispielsweise das erste Gebet, das am 8. Januar online gegangen ist.

Anders angelegt ist das Format „15 Minuten Gottesdienst on tape“. Es erscheint jeden ersten Sonntag im Monat um 10 Uhr bei Instagram und YouTube. „Es ist in wechselnden Gemeinden gemacht. Ich versuche, die Vielfalt der Menschen, die in Kirche arbeiten, zu zeigen“, sagt Sengelmann. Die erste Andacht kam von Pastorin Lydia Pusunc aus Hamm, musikalisch begleitet von Sängerin Merle Rabenstein und Pianistin Diemut Kraatz-Lütke. Im besten Fall lernen die Zuschauenden also eine Kirche und ein Gesicht, das für die Kirche steht, neu kennen.

Als Moderator, Schauspieler, Musiker und selbst Medienkonsument weiß der Pastor, was die Menschen im Netz auch außerhalb von Kirche anspricht: „Wir haben gelernt, dass es wichtig ist, auf uns zu achten“, stellt Sengelmann fest. „In echt ist das etwas, das in Kirche schon ganz lange gemacht wird.“ Dafür stehe für ihn sein hebräisches Lieblingswort „Hinehni“, das übersetzt so viel heißt wie „Hier bin ich!“. „Dabei geht es darum, sich selbst zu zeigen und wahrzunehmen.“ Und das bedeute für ihn Achtsamkeit: Sich selbst wahrnehmen und spüren.

„Digitales Angebot ist eine Chance für Kirche“

Für die Kirche sei so ein digitales Angebot vor allem eine Chance, um Menschen wieder zu erreichen, glaubt Sengelmann. „Wir können nicht erwarten, dass die Menschen sonntagmorgens um 10 Uhr auf einer kalten, harten Holzbank sitzen. Wir müssen das, was wir zu sagen haben, anders zugänglich machen.“ Eine digitale Andacht sollte nicht einfach ein abgefilmter analoger Gottesdienst sein. Hier möchte er seinen Kolleginnen und Kollegen gern mit Rat und Tat zur Seite stehen: „Medien sind das Kommunikationswerkzeug, das wir nutzen, um uns unsere Welt zu erklären. Und es ist nicht ganz unsinnig, wenn wir das als Kirche verstehen.“