Inklusion: Mit dem Rollstuhl zur Arbeit

Mehr Menschen mit Behinderungen sollen in den regulären Arbeitsmarkt integriert werden. Der Bundestag stimmte am 20. April dem Gesetzentwurf zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes zu.

Im Rollstuhl arbeiten
Im Rollstuhl arbeitenImago / Westend61

Der Gesetzesentwurf zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes umfasst wichtige Maßnahmen. Arbeitgeber, die keinen schwerbehinderten Menschen beschäftigen, müssen künftig eine höhere Ausgleichsabgabe zahlen. Die Gelder aus der Ausgleichsabgabe sollen vollständig dafür verwendet werden, die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu fördern. Die Begrenzung des Lohnkostenzuschusses beim Budget für Arbeit wird aufgehoben.

Für Arbeitgeber wird es damit attraktiver, Menschen mit Behinderungen über das Budget für Arbeit einzustellen. Der Evangelische Fachverband für Teilhabe – BeB (Bundesverband evangelische Behindertenhilfe e.V.) befürwortet diese Änderungen.

Die Sanktionierung von „Nullbeschäftigern“ ist richtig: Arbeitgeber mit mindestens 60 Arbeitsplätzen, die keinen Schwerbehinderten beschäftigen, müssen künftig pro nicht besetztem Pflichtarbeitsplatz 720 statt bisher 360 Euro monatlich zahlen.

Potentiale von Menschen mit Behinderungen in den Mittelpunkt stellen

Wichtiger ist aber, die Maßnahmen auszuweiten: Die Potenziale von Menschen mit Behinderung müssen in den Fokus gerückt werden. Der öffentliche Dienst kann und muss Vorbild sein und mehr inklusive Arbeitsplätze schaffen. Auch die Aufhebung der Deckelung des Lohnkostenzuschusses beim Budget für Arbeit ist zu begrüßen. Allerdings sollte das Budget ausgeweitet und der Zugang erleichtert werden.

Gehandicapte als Servicekraft
Gehandicapte als ServicekraftImago / Belga

Den Anspruch daran zu binden, dass die Zusage eines Arbeitgebers vorliegt, ist eine zu hohe Hürde. Menschen sollten vielmehr bereits bei der Akquise einer Stelle durch intensive Begleitung, ein bedarfsorientiertes Jobcoaching und das Sicherstellen von Assistenz unterstützt werden. Positiv zu bewerten ist auch, dass mit Mitteln aus dem Ausgleichsfonds Vorhaben gefördert werden, die eine Teilhabe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen ohne anerkannte Schwerbehinderung am Arbeitsmarkt ermöglichen. Werkstätten für Menschen mit Behinderung sollten weiter Zugriff auf diesen Fonds erhalten, um Modellprojekte für den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt finanzieren zu können.

Weitreichende Lösungsansätze fehlen

Inklusive Betriebe (IB) müssen ihre Mitarbeiter*innen nicht mehr verpflichtend weitervermitteln. Zudem wird eine „Genehmigungsfiktion“ für Anspruchsleistungen des Integrationsamtes eingeführt, um Bewilligungsverfahren zu beschleunigen. Das heißt: Anträge gelten als genehmigt, über die das Integrationsamt nicht innerhalb von sechs Wochen entscheidet. Doch darüber hinaus besteht weiterhin ein grundsätzlicher Bedarf. Die Betriebe sollten zusätzlich aus Steuermitteln gefördert werden und vermehrt in Wirtschaftsförderungsprogramme eingebunden werden.

Die Richtung stimmt

Das Ziel des Gesetzesentwurfs ist zu begrüßen. Er beinhaltet kleine, wichtige Fortschritte. Die Erwartungen jedoch, die mit dem Titel des Gesetzes geweckt werden, werden enttäuscht. Um einen inklusiven Arbeitsmarkt realisieren zu können, fehlen weiterreichende und langfristige Lösungsansätze. Besonders wichtig ist dabei, die Teilhabe auch von Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf zu ermöglichen. Durch die starren Voraussetzungen eines „Mindestmaßes wirtschaftlich verwertbarer Arbeit“ sind sie pauschal vom Arbeitsleben ausgeschlossen. Diese Konstruktion muss endlich fallen, wenn man glaubwürdig von einem inklusiven Arbeitsmarkt sprechen will.

Der BeB-Podcast zum Thema: beb-ev.de/kategorie/ beb- podcast

Elke Ronneberger ist Mitglied des Vorstands des Evangelischen Fachverbandes für Teilhabe BeB und Geschäftsführerin des Diakoniewerks Kloster Dobbertin gGmbH