Bei Besuchen auf den Erntefeldern hat die Initiative Faire Landarbeit im vergangenen Jahr zahlreiche Defizite beim Umgang mit Saisonarbeitern festgestellt. Man habe insbesondere Miete und Unterkünfte in den Blick genommen, um auf Missstände aufmerksam zu machen, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Harald Schaum, am Dienstag bei einer virtuellen Pressekonferenz. Dabei stellte die Initiative ihren Jahresbericht 2024 zur Saisonarbeit in der Landwirtschaft vor.
Bei bundesweit 40 Feldbesuchen habe man etwa 3.100 Saisonarbeitskräfte befragen können. In einigen Fällen zahlten die Feldarbeiter bis zu 800 Euro Miete für ein Bett in einem Mehrbettzimmer – eine „Wuchermiete“, betonte Schaum. Ihnen seien Fälle bekannt, in denen Saisonarbeiter bis zu 50 Prozent des Lohns an den Arbeitgeber zurückzahlten. Viele Beschäftigte lebten in Containern; oft reichten die sanitären Anlagen nicht aus. Die Initiative Faire Landarbeit fordere daher eine kostenlose Unterbringung der Saisonarbeiter.
Bei den Besuchen hätten sie in den vergangenen zwei Jahren in vier Betrieben von Vorfällen sexualisierter Gewalt erfahren, gab die Autorin des Jahresberichts, Kateryna Danilova, an. Mehrere Personen seien betroffen gewesen, meist sei es dabei um die Ausnutzung einer Machtposition gegangen. Viele haben nach Gewerkschaftsangaben Angst, in Gerichtsverfahren verwickelt zu werden.
Laut Jahresbericht arbeiteten 2023 etwa 240.000 Arbeitskräfte aus dem Ausland auf deutschen Feldern und ernteten beispielsweise Spargel, Äpfel oder Weintrauben. Die Menschen kämen aus Rumänien, Polen und Bulgarien, aber auch aus der Ukraine, Usbekistan oder Indien, berichtete Piel. Es gebe „fragwürdige Vermittlungspraktiken“, bei denen die Menschen hohe Gebühren dafür zahlen müssten, „dass sie überhaupt zu uns kommen können“. Manche kehrten sogar verschuldet in ihr Heimatland zurück. Es komme auch zu falschen Versprechungen, etwa, dass es ein „Work and Travel“-Aufenthalt sei. Nicht alle geleisteten Arbeitsstunden würden aufgeschrieben und gezahlt. Es gebe “Fälle massiver Rechtsverletzungen. Eine Gruppe mongolischer Studierender sei beispielsweise direkt nach der Ankunft aufs Feld gebracht worden. Bei witterungsbedingten Arbeitsausfällen hätten Beschäftigte keinen Lohn mehr erhalten, aber weiter Miete gezahlt.
Die Initiative fordert unter anderem, dass Mindestlohn und tägliche Höchstarbeitszeit sichergestellt und Mindeststandards für die Unterkünfte eingehalten werden. Saisonbeschäftigte müssten den vollen Krankenversicherungsschutz erhalten.
Anhand der Statistik des Zolls aus dem Jahr 2023 zeige sich, dass in er Landwirtschaft sehr wenig kontrolliert werde, erläuterte Danilova. Die Situation sei „von einem Betrieb zum anderen unterschiedlich“, stellte Schaum klar: „Bei einigen hat sich etwas bewegt“, Unterkünfte und Arbeitszeiten hätten sich verbessert. Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in der Landwirtschaft nimmt laut Piel zu. Es seien aber fast immer die gleichen Betriebe, „die im Negativen auftauchen“, sagte Schaum.
Die Initiative Faire Landarbeit ist ein Bündnis gewerkschaftsnaher Beratungsstellen, der Gewerkschaft IG BAU, kirchlicher Beratungsstellen sowie weiterer Organisationen.