Influencerin kritisiert offizielle Holocaust-Erinnerungskultur
Wie funktioniert das Holocaust-Gedenken in Sozialen Medien, auch nach dem Tod der Überlebenden? Die Influencerin Susanne Siegert macht das zum Thema – mit Erfolg.
Holocaust-Überlebende werden im offiziellen Gedenken aus Sicht der Influencerin Susanne Siegert in den Hintergrund gedrängt. Die Marketing-Managerin informiert unter dem Namen “keine.Erinnerungskultur” bei Instagram und Tiktok über den Holocaust.
Sie sagte in einem Interview der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung”, es sei wie in einem Theaterstück, in dem das Tätervolk als Regisseur den Überlebenden und ihren Angehörigen als Statisten sage, wie sie ihre Rolle zu füllen hätten. “Dazu gehört, dass man keine wütenden oder rachsüchtigen Überlebenden sprechen lässt, sondern immer nur die versöhnlichen, die sagen, toll hat Deutschland das gemacht, danke, dass wir hier auch sprechen dürfen, auf dieser Veranstaltung, wo es um unsere ermordeten Familienmitglieder geht.”
Weiter sagte die für den Grimme-Online-Award nominierte studierte Journalistin, beim Holocaust-Gedenken würden jedes Jahr dieselben Menschen mit denselben Reden auftreten. Sie forderte Politiker auf, ihre Redezeit etwa an Personen aus der Opfergruppe der Sinti oder Roma abzutreten, damit sie erzählen könnten, wie sie heute noch von Diskriminierung betroffen seien: “Da gibt es Menschen und Perspektiven, die brauchen eine viel größere Bühne. Und die auf die Bühne zu bringen, das könnte auch Aufgabe der Politiker sein.”
Siegert selbst präsentiert ihre Recherchen zum Holocaustgedenken in 90-Sekunden-Videos. Auf Tiktok folgen ihr mehr als 195.000 Menschen, auf Instagram rund 100.000. Nach eigener Auskunft sind 50 Prozent davon unter 25 Jahre. In ihren Videos setzt sie wenig Vorwissen voraus und spricht ihre Follower an: “Ich weiß nicht, ob ich mit 14 oder 15 wusste, was Antisemitismus oder Euthanasie ist; also versuche ich, solche Begriffe zu vermeiden oder zu erklären. Ich wähle Themen, die man auch ohne viel Vorwissen gut verstehen kann. Zum Beispiel: ‘Welche Rolle spielten Wachhunde in den Konzentrationslagern’?”