„In Vitro“-Urteil bringt Republikaner im Wahljahr in Bredouille

Das Urteil des Obersten Gerichts von Alabama zur In-vitro-Fertilisation zieht Kreise. Die Rechtssprechung hängt den Republikanern im Wahlkampf um das Weiße Haus und den Kongress wie ein Mühlstein um den Hals.

Donald Trump vermeidet im Wahlkampf das Thema Abtreibung. Aus gutem Grund, denn seit der Supreme Court im Juni 2022 ein halbes Jahrhundert liberale Rechtssprechung zum Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen auf den Haufen der Geschichte geworfen hat, büßten republikanische Kandidaten dafür an der Wahlurne. Die Republikanische Partei blieb bei den Kongresswahlen weit hinter den Erwartungen zurück und verlor jedes Referendum zum Thema Abtreibung.

Der frühere Präsident erinnert zwar regelmäßig an seine Rolle bei der Benennung dreier konservativer Richter zum Supreme Court, packt bei seinen Auftritten aber lieber nicht das heiße Eisen an. Das geht nun kaum mehr, seit das Oberste Gericht von Alabama Trump mit einer kontroversen Entscheidung politisch dazu zwang, Farbe zu bekennen.

Mit zahlreichen Verweisen auf die Bibel stellten die Richter des Südstaates fest, dass Embryonen Kinder mit vollen Persönlichkeitsrechten seien. Ergo könnten Betroffene IVF-Klinken verklagen, die versehentlich oder absichtlich Embryonen zerstörten. Der oberste Richter Tom Parker berief sich dabei auf die Verfassung Alabamas, die festhalte, dass „menschliches Leben nicht unrechtmäßig zerstört werden kann, ohne den Zorn eines heiligen Gottes auf sich zu ziehen“. Die unmittelbare Konsequenz des Urteils ist, dass es schwieriger für Menschen wird, ihren Kinderwunsch durch künstliche Befruchtung zu erfüllen.

Bisher haben schon vier Anbieter von IVF-Behandlungen aus Sorge vor Haftungsfragen ihre Dienste eingestellt oder eingeschränkt; darunter die University of Alabama. Die Hochschule erklärte, es sei bedauerlich, diese Option nicht mehr anbieten zu können. Die mögliche strafrechtliche Verfolgung von Patientinnen und Ärzten sowie Schadenersatzklagen erlaube das nicht mehr.

Das Urteil hat die Republikaner so alarmiert, dass sich der Generalstaatsanwalt von Alabama, Steve Marshall, genötigt sah, zu versichern, dass keine Absicht „für die Strafverfolgung von IVF-Familien oder Anbietern“ bestehe. Zeitgleich meldete sich Trump zu Wort. Er kündigte seine „starke Unterstützung“ für die künstliche Befruchtung an. Er wolle „es einfacher für Frauen und Männer machen, Babys zu haben, nicht schwerer“. Deshalb sei er dafür, überall in den USA den Zugang zu Kinderwunschbehandlungen zu erhalten.

Die Entscheidung des Verfassungsgerichts eröffnet eine neue Front in dem Kulturkrieg um den Lebensschutz. Energische Vertreter unter den Abtreibungsgegnern drängen seit Langem darauf, Embryonen Persönlichkeitsrechte zu garantieren. Mehrere republikanisch regierte Bundesstaaten signalisierten, dem Beispiel Alabamas folgen zu wollen.

Für Republikaner in Wechselwählerstaaten ist das ein politischer Albtraum. Deswegen beeilten sich Trump und andere hochrangige Republikaner, sich von der Gerichtsentscheidung in Alabama zu distanzieren. „Wir müssen alles tun, was wir können, um den Zugang von Frauen zu IVF in allen Bundesstaaten zu schützen“, meinte etwa die republikanische Abgeordnete aus South Carolina, Nancy Mace.

Den Demokraten spielt das Urteil gut acht Monate vor den Präsidentschafts- und Kongresswahlen in die Karten. Sie erhoffen sich eine Mobilisierung unter den Frauen und den Unabhängigen. Das Weiße Haus kritisierte die Entscheidung umgehend als „empörend und inakzeptabel“. Das Gericht gefährde Kinderwunschbehandlungen für „Familien, die verzweifelt versuchen, schwanger zu werden“. Das Bild, das die Republikaner gerade böten, sei „Teil ihres Selbstmordpaktes“, kommentierte die demokratische New Yorker Gouverneurin Kathy Hochul, sarkastisch.

Umfragen deuten darauf hin, dass die Demokraten tatsächlich von dem Alabama-Urteil profitieren könnten. Sie belegen eine starke Unterstützung der US-Amerikaner für die „In-Vitro-Fertilisation“.

Vier von zehn US-Amerikanern gaben im vergangenen Jahr in einer Pew-Umfrage an, dass sie Fruchtbarkeitsbehandlungen in Anspruch genommen haben oder jemanden kennen, der dies getan hat. Ein Anstieg von 33 Prozent gegenüber 2018. Seit dem Einsatz des IVF-Verfahrens vor mehr als 40 Jahren ist die Nachfrage nach Reproduktionstechnologie stetig gestiegen. Etwa zwei Prozent aller geborenen US-Babys pro Jahr sind durch eine „In-Vitro-Fertilisation“ gezeugt.