Ist es eine Reaktion auf den immer massiveren internationalen Druck? Oder eine gewollte “taktische Pause” Israels? Jedenfalls hat Israel einige Paletten Hilfsgüter über dem Gazastreifen abgeworfen.
Israel hat einige Paletten Hilfsgüter internationaler Organisationen über dem Gazastreifen abgeworfen und die Einrichtung “humanitärer Korridore” für Lastwagen mit Hilfsgütern angekündigt. Die Regierung spricht von einer “taktischen Pause”; internationale Beobachter sehen es als eine Reaktion auf den zuletzt immer größeren internationalen und auch Binnendruck aus Israel selbst.
Israels Staatspräsident Isaac Herzog begrüßte die Maßnahmen der Regierung. Zugleich wiederholte er die israelische Forderung an die Vereinten Nationen, eine sichere Verteilung der Hilfen zu gewährleisten und eine Unterschlagung von Hilfsgütern durch die Hamas zu unterbinden. Israels Außenministerium warf den UN erneut Versagen bei der Verteilung riesiger Mengen von Gütern vor. Berichte über Verhungernde seien “Propaganda der Hamas”.
Der rechtsextreme Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, teilte über die Sozialen Medien mit, eine Quelle im Büro des Ministerpräsidenten habe ihm am Samstagabend mitgeteilt, dass während des jüdischen Ruhetags Schabbat eine Sicherheitsberatung ohne ihn stattgefunden habe. Die offizielle Begründung sei gewesen, man habe den Schabbat nicht entweihen wollen. Dabei wisse “jeder sehr wohl”, dass er auch am religiösen Feiertag für alle wichtigen Ereignisse und Beratungen zur Verfügung stehe.
Die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen rief am Wochenende immer mehr warnende Stimmen auf den Plan. Papst Leo XIV. äußerte sich am Sonntag sehr besorgt. Er sandte einen “eindringlichen Appell” für einen Waffenstillstand, eine Freilassung der Geiseln und eine uneingeschränkte Achtung des humanitären Rechts. UN-Menschenrechtshochkommissar Volker Türk forderte Israel am Sonntag in Genf auf, seine “ungesetzliche Präsenz” im palästinensischen Gazastreifen zu beenden. Beide Seiten, Israelis wie Palästinenser, müssten nun substanzielle Schritte in Richtung einer Zwei-Staaten-Lösung gehen.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) teilte mit, er habe sich in einem ausführlichen Telefonat mit dem französischen Staatspräsidenten und dem britischen Premierminister über den Kurs in der Nahost-Politik abgestimmt. “Es gab große Übereinstimmung mit Emmanuel Macron und Keir Starmer”, so Merz. Man werde in den kommenden Tagen die nächsten Schritte sehr eng koordinieren. Die drei Regierungschefs (“E3”) verlangten in einer gemeinsamen Erklärung ein Ende der “humanitären Katastrophe” im Gazastreifen.
Am Sonntag ließ Merz mitteilen, er habe Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in einem Telefonat zu einem Waffenstillstand aufgefordert. Israel müsse der hungernden Zivilbevölkerung die dringend notwendige humanitäre Hilfe jetzt zukommen lassen; sie müsse die Zivilbevölkerung schnell, sicher und “im gebotenen Umfang” erreichen.
Auch der höchste Vertreter der katholischen Kirche in Nahost stimmte in den Chor derer ein, die einen Feuerstopp fordern. Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, sagte im ZDF heute journal (Freitagabend), die einfache Lösung sei zunächst, den Krieg zu beenden. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki stimmte am Sonntag mit ähnlichen Forderungen zu.
Pizzaballa hatte zuletzt Gaza besucht. Er habe sich dort “machtlos und hilflos gefühlt”, sagte er. Überall gebe es lange Schlangen. Die Menschen seien zu unterernährt, um selbst noch Blut spenden zu können. So seien auch keine Bluttransfusionen für Kranke und Verletzte mehr möglich. Viele Menschen hätten einfach alles verloren.
Auch das katholische Hilfswerk Misereor forderte eine sofortige Waffenruhe. “Die Lage in Gaza ist ein Albtraum – und ein politisches Versagen auf ganzer Linie”, erklärte Hauptgeschäftsführer Andreas Frick am Samstag in Aachen. “Als Organisation, die an der Seite der von Gewalt und Hass betroffenen Menschen in Israel und in den Palästinensischen Gebieten steht, erinnern wir bei Misereor unmissverständlich daran: Aus der historischen Verantwortung unseres Staates ergibt sich die Pflicht, das Völkerrecht kompromisslos zu wahren.” Diese Verantwortung werde derzeit massiv verletzt.