Im Senegal schränkt die geplante Gasförderung den Fischfang ein

Saint-Louis ist im Senegal die Hauptstadt des Fischfangs. Ausgerechnet hier wurde ein Gasfeld entdeckt. Gefördert wird der fossile Brennstoff zwar bis heute nicht. Doch die Fischer haben schon jetzt weniger Einnahmen.

Mame Daouda Gueye hat alles vorbereitet. Der Fischer, der in Saint-Louis im Nordwesten des Senegals lebt, schiebt mit seinem Sohn und einigen Helfern seine Piroge in den Atlantik. So heißt das lange, schmale und bunt bemalte Holzboot. An der Küste Senegals gibt es davon viele tausend dieser traditionellen Kähne. In Städten wie Saint-Louis leben ganze Familien seit Jahrzehnten vom Fischfang. Während die Männer aufs Meer fahren, nehmen die Frauen die Fische später aus, verarbeiten sie weiter und verkaufen sie. Laut Regierungsangaben macht die Branche rund drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.

Auch Mame Dadouda Gueye kennt es nicht anders. Als Zwölfjähriger half der heute 46-Jährige seinem Vater erstmals beim Fischen. Ihm wurde schlecht, erinnert er sich lachend. Jetzt steuert er das Boot mit größter Gelassenheit aufs offene Meer, obwohl der Wellengang hoch ist. Er und sein Sohn Mohamed wollen aber nicht Zackenbarsch und Dorade fangen, sondern die neue Gasplattform zeigen.

Denn vor der Küste von Senegal und Mauretanien soll künftig Gas gefördert werden. “Greater Tortue Ahmeyim” (GTA) heißt das Gasfeld, das eine jährliche Exportkapazität von 2,3 Millionen Tonnen Flüssiggas (LNG) haben soll. Die Gesamtmenge schätzt Betreiber BP auf etwa 400 Milliarden Kubikmeter. Dass das Gasfeld auch in Deutschland Berühmtheit erlangte, dafür hat 2022 Bundeskanzler Olaf Scholz gesorgt. Bei einem Besuch im Senegal betonte er, die Gaskooperation vorantreiben zu wollen. Wenige Monate nach Beginn des Ukraine-Kriegs war es das Ziel, vom russischen Gas unabhängig zu werden.

Mame Dadouda Gueye stellt den Motor aus. Dichter als 500 Meter darf er nicht an die Plattform fahren. “Sie hat viel zerstört. Wir können in dieser Zone nicht mehr fischen.” Nach Angaben von Kosmos – das US-amerikanische Unternehmen hatte das Gasfeld 2015 entdeckt und hält an dem Vorhaben einen Anteil von 27 Prozent – soll allerdings etwa 125 Kilometer vor der Küste gebohrt werden. Warum die Plattform ausgerechnet dort steht, wo schon sein Großvater gefischt hat, versteht der Fischer nicht.

Saint-Louis ist abhängig vom Fischfang, sagt Moustapha Dieng, Generalsekretär der Autonomen Gewerkschaft der Fischer Senegals (SYNAPS). Er schaffe dringend benötigte Arbeitsplätze und hat vor allem im Fischerviertel Guet N’Dar auch eine soziale Komponente. “Die Fischer geben einen Teil ihres Fangs an jene ab, die gar kein Einkommen haben”, so Dieng, der die Plattform scharf kritisiert.

Dabei klangen die erwarteten Gewinne noch vor zwei Jahren verlockend. Die damalige Regierung unter Präsident Macky Sall rechnete für den Zeitraum 2023 bis 2025 mit Einnahmen in Höhe von umgerechnet knapp 1,4 Milliarden Euro aus dem Gasfeld sowie dem Ölfeld Sangomar, berichtete das Magazin “Jeune Afrique”. Dabei hält das staatliche senegalesische Unternehmen Petrosen nur zehn Prozent der Anteile an dem Gasvorhaben. Der Beginn der Gasförderung wurde mittlerweile auf dieses Jahr verschoben. Doch wann der Startschuss fällt, weiß niemand.

Ohnehin könnte sich durch die neue Regierung einiges ändern. Neuer Präsident ist seit Anfang April der 44-jährige Bassirou Diomaye Faye, ein linker Panafrikanist, der für einen Bruch mit der bisherigen Politik steht. Er kündigte an, Verträge neu zu verhandeln. Details sind bisher nicht bekannt.

Die Ankündigung macht auch Yero Sarr Hoffnung. Der Aktivist engagiert sich in der Bewegung Fridays for Future und möchte am liebsten, dass sein 18 Millionen Einwohner zählendes Land künftig ganz auf regenerative und nicht fossile Brennstoffe setzt. Doch dafür sei es zu spät. “Das Projekt ist weit fortgeschritten und die Installationen längst da”, sagt er.

Deshalb hofft er, dass Senegals Bevölkerung so gut wie möglich von den Einnahmen der Gasförderung profitiert. “Mit den Erlösen müssen wir Projekte finanzieren, die junge Menschen davon abhalten, über das Meer nach Europa zu migrieren.” Vor allem für die jungen Fischer müssen Perspektiven geschaffen werden.

In Saint-Louis gibt es in jeder Familie jemanden, der über den Atlantik in Richtung Kanarische Inseln aufgebrochen ist. Auch Mame Daouda Gueye lebte ein Jahr in Spanien. Davon erzählt er, als das Boot wieder am Strand liegt. Gemeinsam haben die Männer es aus dem Wasser gezogen: “Ich dachte, Europa sei das Paradies. Dann habe ich aber festgestellt, dass ich hier als Fischer mehr verdienen kann.” Er schaut auf seinen Sohn Mohamed. Auch er versuchte vor einiger Zeit, sich auf den Weg nach Europa zu machen. Doch Marinesoldaten griffen ihn auf und brachten ihn wieder nach Hause. Sein Sohn soll bleiben und nicht die lebensgefährliche Überfahrt auf sich nehmen. Deshalb sei es so wichtig, sagt Mame Daouda Gueye, dass die Familien weiter vom Fischfang leben können.