Dieser Dokumentarfilm zum Amateurfußball überrascht: Ausgerechnet ein geläuterter Rechtsextremist trainiert Geflüchtete in Vorpommern. Es geht um Arbeitslosigkeit und Rassismus, aber auch um Zugehörigkeit und Neuanfänge.
Eichi ist ein bulliger Mann mit Glatze. Der Fußballtrainer macht klare Ansagen; er erklärt, motiviert und spart nicht mit Kritik, wenn etwas nicht läuft. Am Spielfeldrand regt er sich auf, pfeift und kommentiert das Geschehen auf dem Platz. Beim Fußballclub FC Pio Torgelow trainiert er vorwiegend Flüchtlinge – junge Männer, die aus Tschetschenien oder Afrika stammen. Was die Spieler, die neu ins Team kommen, nicht wissen: Eichi, der mit bürgerlichem Namen Thomas Eichstätt heißt, war früher Rechtsradikaler.
Mit seinen Kumpels suchte er Streit mit Asylbewerbern und scheute keine körperliche Auseinandersetzung. Inzwischen schämt er sich jedoch für seine Vergangenheit. Eichstätt zeigt auch persönlich klare Kante – und spricht offen über seine Verstrickung ins rechte Milieu. Im Anschluss bittet er die Neuankömmlinge um Verzeihung und stößt damit meistens auf Zustimmung. Thomas, der aus Sierra Leone stammt, hält ihn für einen “Good Man”.
Der Dokumentarfilm von Loraine Blumenthal, den das ZDF am 8. Dezember zeigt, handelt vom Gestrandetsein und von Neuanfängen. Das gilt sowohl für die Flüchtlinge als auch für den Trainer. Eichstätt wohnt und wirkt in Torgelow, einem kleinen Ort in Vorpommern, nicht allzu weit von Usedom entfernt. Dort gibt es nicht viel zu tun. Das Kleinstadtleben führt viele an ihre Grenzen.
“Eichi” wohnt mit Frau und Kindern in der “Platte” und ist arbeitslos; der Trainerjob ist ein Ehrenamt. Versuche, bei Behörden eine Finanzierung zu erhalten, damit er seine Integrationsarbeit zumindest auf Basis eines Minijobs leisten kann, sind bislang gescheitert. Die Kamera begleitet ihn mehrfach bei diesen frustrierenden Erfahrungen. Doch als Trainer ist er in seinem Element.
So hat er Asad vorübergehend suspendiert, weil dieser oft nicht zum Training erschien. Asad regt sich in Eichis Augen mehr über einen verkorksten Haarschnitt auf als Einsicht zu zeigen. Ja, Asad sei ein guter Spieler: Doch er müsse wenigstens einmal pro Woche trainieren.
Dass Asad, der bald 18 wird, große private Probleme hat, weiß Eichi. Der Teenager lässt es auch in der Schule an Disziplin mangeln. Mit mehr als 200 Fehlstunden hat er den Abschluss nicht bestanden. Dabei ist er intelligent und mehrsprachig, übersetzt für ukrainische Neuankömmlinge und spricht sehr gut Deutsch. Doch die Ungewissheit über seinen Status, der sich mit Erreichen der Volljährigkeit ändert, lähmt ihn. Zu Hause hat Asad durchaus Rückhalt, und außerhalb der Schule viele Kumpel. Doch wenn er sich um Lehrstellen bemüht, kassiert er nur Absagen. Auf der Straße schlägt ihm regelmäßig Rassismus entgegen.
Blumenthal begleitet die Menschen in ihrem Alltag; in Gesprächen geben sie auch direkt Auskunft. Etwa Thomas aus Sierra Leone, der über sehr gefährliche Wege nach Deutschland gelangt ist: Auch er wird auf der Straße beschimpft, auch er weiß nicht, wie es für seine Familie weitergehen soll.
Der Fußball ist für sie ein Ventil, um aus ihrem sorgenvollen Alltag auszubrechen. Außerdem schweißt das Kicken über sprachliche und kulturelle Grenzen hinweg zusammen. Der FC Pio ist eine bunt zusammengewürfelte Truppe, bei der einige deutlich besser spielen als andere. Doch der Club gewinnt Pokale und Anerkennung. Gemeinsam reisen die Spieler zu Auswärtsspielen.
Blumenthal schaut auch in Wohnstuben, filmt ihre Protagonisten bei Feiern und Geburtstagen. Eichi unterstützt seine Schützlinge, wo er kann. Doch auch ihn plagen finanzielle Probleme. Außerdem sitzt ihm das Arbeitsamt im Nacken. Fände er einen Job, müsste er seine Tätigkeit als Trainer aufgeben.
Der Film liefert zudem Hintergründe über den Aufenthaltsstatus der Flüchtlinge – die mitunter überraschen. So herrscht beim FC Pio viel Fluktuation: Neue kommen, Alteingesessene gehen. Eichis Arbeit beginnt dann wieder von vorn. “Im Osten was Neues” ist ein “Work in progress”, das sich an diesen Entwicklungen orientiert. Ein Film, der die Komplexität von Migration aus einer sehr praxisnahen Perspektive beleuchtet – fern von Stammtischsprüchen oder markigen Statements.