Im Geiste zusammen

Wo finden wir Halt? Wie finden wir Zuversicht angesichts der Krise? Der Braunschweiger Landesbischof Christoph Meyns nimmt uns mit auf einen Rundgang durch den Braunschweiger Dom, wo ein Leuchter und Malereien das Leben mit allen Höhen und Tiefen in den Blick nehmen.

Secco-Malereien im Chorraum des Braunschweiger Doms
Secco-Malereien im Chorraum des Braunschweiger DomsChristoph Meyns

Wir machen gerade schwere Zeiten durch. Die Ausbreitung des Coronavirus hält uns alle in Atem. Die Epidemie löst Ängste aus. Die Einschränkungen des öffentlichen Lebens zur Eindämmung der Krankheit machen uns zu schaffen. Viele Menschen plagen wirtschaftliche Sorgen und Nöte. Und noch ist das Licht am Ende des Tunnels nicht in Sicht.

Normalerweise würden wir uns in solchen Tagen in unseren Kirchen sammeln, um dort Trost, Stärkung und Orientierung zu finden. Aber eben das ist uns verwehrt. Nur vermittelt durch Zeitungen, Fernsehen, Rundfunk und Internet können wir jeder für sich zu Hause in diesem Jahr das Osterfest feiern. Ich möchte Sie als geistliche Einstimmung auf das Osterfest deshalb sozusagen „virtuell“ im Braunschweiger Dom versammeln. Das Foto unten zeigt den Blick vom Kirchenschiff über das Grabmal Heinrichs des Löwen und seiner Frau Mathilde hinweg in den Chorraum.

wichtig
wichtig

Der Dom war bei seiner Gründung 1173 weder als Gemeindekirche noch als Bischofssitz geplant, sondern als Grablege für Herzog Heinrich und seine Familie. Damals befand er sich auf dem Höhepunkt seiner Macht. Er herrschte königsgleich über weite Teile Norddeutschlands und Bayerns und war durch seine Heirat mit dem englischen Königshaus verbunden. Sieben Jahre später hatte er alles verloren, war als Majestätsverbrecher verurteilt, seiner königlichen Lehen und ­Titel beraubt und musste ins Exil nach England gehen. Erst nach dem Tod seiner Frau Mathilde 1189 konnte er nach Braunschweig zurückkehren und wurde 1195 neben ihr im Dom be­graben.

In seiner Biografie begegnet uns das Leben in all seinen Höhen und Tiefen zwischen Erfolg und Scheitern, hohen Ansprüchen und harten Realitäten, stets umgeben von Erfahrungen der Vergänglichkeit und des Todes. Wir machen derzeit ähnliche Erfahrungen. Noch ist nicht absehbar, welche politischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen die Coronavirus-Epidemie haben wird. Aber schon jetzt hat sie die Pläne und Lebensentwürfe vieler Menschen zunichtegemacht und stellt uns alle vor völlig neue Probleme.

Wo aber finden wir Halt, wenn die Selbstverständlichkeiten verloren gehen, auf die wir uns im Alltag verlassen: Mobilität, Versammlungs-, Religions- und Reise­freiheit, Freizeitgestaltung, Sozialkontakte, wirtschaftliche Stabilität? Wie entwickeln wir Zuversicht angesichts von Erfahrungen mit Einschränkungen, Brüchen, Krankheiten, Vergänglichkeit und Tod? Wo finden wir die Kraft, die Herausforderungen anzupacken, vor denen wir derzeit stehen?

Leuchter statt Kreuz

Anders als in vielen anderen Kirchen hängt im Chorbogen des Braunschweiger Doms kein Kreuz. Stattdessen steht vor der Vierung ein großer siebenarmiger Leuchter aus Bronze. Er symbolisiert den Baum des Lebens im Paradies und damit die Hoffnung auf das ewige Leben.

Die farbigen Secco-Malereien im Chorraum illustrieren den Heilsplan Gottes, angefangen von Mose und den Propheten über die Geburt Jesu bis hin zu Karfreitag, Ostern und Pfingsten. Daneben erinnern sie an Johannes den Täufer, St. Blasius und Thomas Becket als Schutzpatrone des Doms. Von der Decke leuchtet das himmlische Jerusalem. Im Zentrum der Sichtachse ist Christus als himmlischer Herrscher an zentraler Stelle abgebildet. Heinrich und Mathilde blicken also von ihrem Grab aus durch den Baum des Lebens hindurch ins Paradies auf Jesus Christus.

Damit kommt im Braunschweiger Dom alles auf einmal in den Blick: das Leben mit allen Höhen und Tiefen, seine Vergänglichkeit, die Hoffnung auf das ewige Leben und die Haltung, in der wir damit umgehen können: indem wir den Blick fest auf Jesus Christus richten.

Gottesdienste zuhause

Eben das wollen wir in diesen Tagen tun, wenn wir den Weg Jesu zwischen Palmsonntag, Gründonnerstag, Karfreitag und Ostern mitgehen. Anders als sonst können wir das in diesem Jahr nicht durch den Besuch von Gottesdiensten tun. Weder können wir gemeinsam Abendmahl feiern noch der Aufführung einer Passionsmusik beiwohnen oder die Osternacht erleben. Aber wir können über Fernsehen, Rundfunk oder das Internet von zu Hause aus Gottesdienste mitfeiern.

Es bietet sich an, während der Karwoche die Passionsgeschichte abschnittsweise zu lesen oder sich Kirchenmusik anzuhören. Wenn wir auch zu Hause allein sind, im Glauben sind wir doch auf diese Weise miteinander verbunden. „Und an seines Hauses Schwelle wird ein jeder fest gebannt; aber Liebesfäden spinnen heimlich sich von Land zu Land“ (Theodor Storm). Es kommt darauf an, sich in diesen Tagen geistlich zu stärken, so gut es eben geht, und im Geiste zusammenzuhalten.

Die Evangelien erzählen davon, dass der Auferstandene mitten unter seine Jünger trat und sie mit den Worten grüßte: „Friede sei mit euch.“ Dieser Friede geleite Sie durch die kommende Zeit. Ihnen allen ein frohes und gesegnetes Osterfest.

Unser Autor
Dr. Christoph Meyns ist Landesbischof der Landeskirche Braunschweigs.