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“Ich hoffe, dass mein Werk ein Menschenwerk ist”

In großen grünen Lettern springt dem Betrachter die Botschaft des Künstlers unmissverständlich entgegen: „Umweltschutz Sache der Jugend“ steht dort auf einem 1972 entstandenen Holzschnitt geschrieben. Neben der Botschaft zeigt sich ein abstrakter Baum, dessen Umfeld gänzlich zu verschwinden droht. Ein weiteres in seiner Aussage deutliches Werk von 1980 hängt nur knapp daneben. In senkrechten Pinselstrichen sind dort die Farben der deutschen Bundesflagge zu sehen, wobei das Gold eher an helles Braun erinnert. Darunter schauen Füße hervor, womöglich in einer Wahlkabine stehend oder auf dem Weg dorthin. Wiederum darunter steht: „Demokraten wählen!“

In diesem dritten und letzten ihrer Themenbereiche widmet sich die Sonderausstellung „HAP Grieshaber – Form/Sprache“ im Museum Wiesbaden vom 22. September bis 21. Januar 2024 ganz dem Künstler als Meinungsmacher, wie die Kuratorin der Schau, Jana Dennhard, am Mittwoch erläutert. Menschenrechte und die Natur seien die zwei großen Themen des deutschen Grafikers und Holzschnittkünstlers Helmut Andreas Paul (HAP) Grieshaber (1909-1981) gewesen, erklärt Museumsdirektor Andreas Henning.

In den ausgestellten Arbeiten sind diese Überthemen in abstrakter Form mit klarer Aussagekraft immer wieder deutlich zu entdecken. So ist es zugleich Schwerpunkt und besonderer Reiz dieser Ausstellung, sich als Besucher mit den noch immer hochaktuellen gesellschaftskritischen Parolen in den Werken Grieshabers auseinanderzusetzen, die der Künstler schon vor Jahrzehnten geschaffen hat, die aber wie in die heutige Zeit gefallen wirken.

Um noch besser verstehen zu können, was Grieshabers künstlerisches Schaffen geprägt hat, ist gleich zu Beginn der Ausstellung eine Übersicht zu den wichtigsten Stationen seines Lebens zu sehen, denen welthistorische Ereignisse gegenübergestellt werden. So hatte der Künstler, der nie Mitglied einer Partei gewesen sei, unter anderem beide Weltkriege, die Teilung Deutschlands und den Kalten Krieg miterlebt, sagt Dennhard. Zur Zeit des Nationalsozialismus sei er in seiner Tätigkeit stark eingeschränkt worden.

Neben dem Künstler als Meinungsmacher beschäftigen sich die beiden anderen Themenbereiche der Ausstellung mit dem Menschen hinter dem Künstler und der Technik des Holzschnitts selbst, erläutert Dennhard. Rund 80 Arbeiten und Druckstöcke von Grieshaber sind im Museum Wiesbaden zu sehen. Mit der Ausnahme von dreien stammen sie allesamt aus einer Privatsammlung. „Die herausragende Qualität der Werke wie auch die beeindruckende Vollständigkeit dieser Sammlung sind ein großes Glück“, sagt Museumsdirektor Henning. Grieshaber habe die Technik des Holzschnitts im Deutschland der Nachkriegszeit revolutioniert.

Zwei Videos und damit die Möglichkeit, den Künstler einmal selbst hören zu können, runden die Ausstellung ab. Sie befähigen die Besucherinnen und Besucher, sich angesichts aktueller gesellschaftlicher Probleme ein Bild darüber zu schaffen, was Grieshaber mit seiner Kunst dazu schon in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts zu sagen wusste. In einem der Videos, ein Porträt-Film von 1964, wird Grieshaber gefragt, ob sein Werk ein politisch engagiertes sei. Der entgegnet: „Ich hoffe, dass mein Werk ein Menschenwerk ist. Und dass die Politik auch einmal menschlicher wird, als sie heute ist“.