Husum wettet auf die Orgel

Gelingt es den Husumern, innerhalb weniger Wochen über 22.000 Euro für die neue Orgel in der Marienkirche zu sammeln? Der ehemaliger Ministerpräsident Peter Harry Carstensen hält dagegen. Topp, die Wette gilt.

80 Spendendosen stehen in Husums Geschäften. Kai Krakenberg, Friedemann Magaard und Uwe Schmitz sowie der ehemalige Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (v.l.) wetten, wie viel gespendet wird.
80 Spendendosen stehen in Husums Geschäften. Kai Krakenberg, Friedemann Magaard und Uwe Schmitz sowie der ehemalige Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (v.l.) wetten, wie viel gespendet wird.Sonja Wenzel

Husum. Husum ohne Marienkirche geht nicht, und die Marienkirche ohne Orgel geht erst recht nicht: „Das ist wie ein Fußballfeld ohne Tor, wie Ernie ohne Bert“, finden Bürgermeister Uwe Schmitz und Friedemann Ma­gaard, Pastor von St. Marien. Anstelle der alten, ausgebauten Orgel aus den 1960er-Jahren hängt ein lebensgroßes Bild des neuen Instruments über der Empore. Die neue Orgel soll im Spätsommer 2021 eingebaut werden und im Advent dann das erste Mal erklingen.

Rund 1,1 Millionen Euro kostet die Orgel – „das ist hochqualifiziertes Handwerk“, sagt der Pastor von St. Marien. Für das Gesamtprojekt sind 1,5 Millionen Euro veranschlagt. Die Summe – auch aus öffentlichen Fördertöpfen – ist schon zu einem großen Teil finanziert. Rund 270.000 Euro fehlen noch. „Um diesen Betrag aufzutreiben, haben wir noch rund zweieinhalb Jahre Zeit. Es ist ein sportliches Ziel, in dieser Frist die fehlende Summe aufzubringen, wir müssen etwas dafür tun“, so Magaard.

„Das schafft ihr Husumer nicht!“

Nicht nur, dass von allen Seiten Sonderaktionen zugunsten der neuen Orgel angekündigt werden: Ein ernst zu nehmender Gag ist die „Stadtwette“. Bis zum 30. September läuft die Frist für die Husumer Bürger, einen Betrag von 22.222,22 Euro durch Spenden zu erreichen. Wenn jeder Einwohner einen Euro in eine der in vielen Geschäften aufgestellten 80 Spendendosen steckt, könnte es klappen. So ist jedenfalls der Plan von Bürgermeister Schmitz und Pastor Magaard. Peter Harry Carstensen, ehemaliger Ministerpräsident von Schleswig-Holstein und Nordstrander, hält dagegen und meint: „Das schafft ihr Husumer nicht!“ Und nun heißt es „Wetten, dass doch …?“ Topp, die Wette gilt.

Sollte Carstensen verlieren, wird er in einem Husumer Seniorenwohnheim Geschichten vorlesen und mit den Bewohnern klönen. Verliert die andere Seite, werden die Husumer Pastoren gemeinsam mit dem Bürgermeister – jeweils in „Dienstkleidung“ – mit Wischlappen und Scheuereimer „Klinken putzen“, die Türklinken von Häusern und Autos in der Stadt blank wienern und dabei weitere Spenden erbitten, um die Summe doch noch zu erreichen.

Fast schon ein Jahrhundertprojekt

Carstensen ist von der Stadtwette begeistert: „Husum ist meine Heimatstadt. Ich bin im Jahre 1957 in die Gelehrtenschule gegenüber der Kirche eingeschult worden. Diese Kirche fasziniert mich, es ist sozusagen meine Schulkirche, denn für besondere Schulveranstaltungen wurde sie genutzt. Deshalb bin ich gern in die Wette eingestiegen.“

Wenn er verlieren sollte, macht es auch nichts: „Ich gehe gern zum Vorlesen in ein Seniorenheim. Die Menschen haben es verdient“, sagt Carstensen. Ähnlich sieht es Bürgermeister Schmitz: „Das Herz einer Stadt ist der Marktplatz, da gehört auch eine Kirche hin. Husum ist der zentrale Ort in Nordfriesland mit einem Einzugsgebiet, in dem rund 70.000 Menschen leben. Eine Kirche ist – einerseits aus christlicher, andererseits auch aus touristischer Sicht – eine Stätte der Begegnung, und eine Orgel gehört unbedingt dazu.“

Organist Kai Krakenberg hat bereits bei seinem Amtsantritt im Jahr 2005 erfahren, dass die alte Orgel „abgängig“ sei: Rund 13 Jahre habe er gebraucht, um ein fein austariertes Klangkonzept zu erstellen. Die neue Orgel sei vom Konzept her „die kleine Schwester jener in der Elbphilharmonie“ – eine Orgel für einen klassischen, mittelgroßen Raum. „Es ist fast schon ein Jahrhundertprojekt“, versichert Magaard: „Die Orgel wird so klingen, dass die Menschen gern in unsere Kirche kommen.“

Übrigens: Wenn am 1. Oktober Kassensturz gemacht wird und der Inhalt der Spendendosen mindestens 22.222,22 Euro ergeben sollte, tritt ein anonymer Förderer der Stadt auf den Plan und wird die Summe verdoppeln.