Sie können es doch noch: Die früheren Ampel-Partner haben sich auf eine Reform der Abrechnung für Hausärzte geeinigt. Kritiker warnen, dass das allein noch nicht genug Verbesserungen für Patienten bringe.
Angesichts der Last-Minute-Einigung auf eine Reform für Hausarztpraxen fordern Patientenschützer weitere Verbesserungen für die Versorgung der Patienten. Auch die gesetzlichen Krankenkassen pochen auf weitere Strukturreformen. Die ehemaligen Ampel-Koalitionspartner SPD, Grüne und FDP einigten sich am Montag darauf, noch vor der Bundestagswahl am 23. Februar die Honorarobergrenzen für Hausärzte abzuschaffen, die sogenannte Budgetierung.
“Allein auf eine Entbudgetierung der Hausärzte zu setzen, greift zu kurz”, sagte dazu der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Er forderte, dass besonderes ärztliches Engagement, wie überdurchschnittlich viele Hausbesuche, in Zukunft belohnt werden sollte und nicht sanktioniert werden dürfe. “Auch muss die Reform die brenzlige Lage auf dem Land entschärfen.” Dazu brauche es Anreize für die Gründung von Arztpraxen. “Ebenso überfällig ist ein lukratives Bonussystem für die Versorgung von pflegebedürftigen, schwerstkranken und immobilen Menschen, um die Betreuung oder den Arztwechsel zu fördern.”
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zeigte sich dagegen erleichtert über die Einigung. “Zu viele Patienten haben Schwierigkeiten, einen Hausarzt zu finden, die Zahl der Hausärzte sinkt”, sagte er den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft (Dienstag). Deshalb sei es das Ziel, den Hausarztberuf attraktiver zu machen, etwa durch die Streichung der Budgets und der “bürokratischen Quartalspauschalen”. Diese würden bislang dazu führen, dass viele Praxen mit Patienten überlaufen seien, die gar nicht in die Praxis gemusst hätten.
Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband und die Bundesärztekammer begrüßten die Einigung ebenfalls. Die Hausärzte forderten darüber hinaus eine Stärkung der hausarztzentrierten Versorgung und der Praxisteams. Ärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt sagte, vordringliche Aufgabe einer neuen Bundesregierung müsse es sein, auch für Fachärzte mindestens in eine schrittweise Entbudgetierung einzusteigen.
Die gesetzlichen Krankenkassen kritisierten die Einigung derweil als Wahlgeschenk, das nicht gezielt genug zu einer verbesserten Versorgung der Patienten führe. Für die beitragszahlenden Versicherten und Arbeitgeber sei dies keine gute Nachricht, da die Kosten noch einmal um jährlich geschätzt 500 Millionen Euro stiegen, so der Verband der Ersatzkassen. Die Kassen fordern weitergehende Strukturreformen.
Die Einigung der früheren Ampelpartner umfasst neben den Änderungen für die Vergütung von Hausärzten weitere Punkte: So soll etwa die Hilfsmittelversorgung von Menschen mit Behinderung erleichtert werden. Auch soll der Anspruch auf Notfallverhütungsmittel für Opfer sexualisierter Gewalt ausgeweitet werden. Sie sollen künftig ohne Altersbegrenzung von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden. Alle Punkte der Einigung sollen noch vor der Bundestagswahl beschlossen werden.