Holocaust-Gedenktag: Warnungen vor gesellschaftlicher Entwicklung

Zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am Samstag haben Religionsvertreter und Politiker ihre Sorge über aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen geäußert. Nach den Worten des Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sei die Erinnerung an den Holocaust nicht nur ein Rückblick, sondern mache deutlich, dass Würde und Rechte jedes Menschen zu achten seien. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) sagte, die Erinnerung an das unvergleichliche Menschheitsverbrechen des Holocaust und seiner schrittweisen Ermöglichung in den Jahren zuvor müsse mehr denn je lebendig gehalten werden.

Bätzing sagte, die rechtspopulistische Propaganda habe wesentlich zur Vergiftung des sozialen Klimas beigetragen: „Manche Beiträge zur Debatte um Migration und Integration sind von Fremdenfeindlichkeit, wenn nicht gar Rassismus geprägt.“ Es sei für ihn eine ermutigende Erfahrung, dass in den vergangenen Wochen Hunderttausende Personen auf die Straßen gegangen seien, um gegen die soziale Ausgrenzung von Menschen und für den demokratischen Rechtsstaat einzutreten, erklärte der Limburger Bischof.

Sowohl Bätzing als auch Roth beklagten die zunehmende Zahl antisemitischer Taten seit dem 7. Oktober, dem Tag des Überfalls der Hamas auf Israel. Roth sagte, die steigende Zahl unterstreiche die Notwendigkeit, Erinnerungskultur fortzuentwickeln und noch breiter aufzustellen: „Es gilt, die ganze heutige Gesellschaft in ihrer Vielfalt und Breite wirkungsvoll zu erreichen und mit einzubeziehen.“

Der Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner, Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, rief dazu auf, entschieden gegen jede Form von Antisemitismus und Extremismus aufzustehen. „Während wir in diesen Tagen den sechs Millionen Jüdinnen und Juden, unter ihnen 1,5 Millionen Kinder gedenken, die durch die Nazi-Diktatur in grausamster Weise vernichtet worden sind, dürfen wir auch nicht blind für die aktuellen Entwicklungen sein“, sagte der diesjährige Karlspreisträger. Das Erstarken rechtsextremer Parteien in Europa, der zunehmende Antisemitismus der extremen Linken und islamistischer Fundamentalisten ließen ein Wiederaufleben von Ideologien befürchten, „die in der Vergangenheit zu unermesslichem Leid geführt haben“, erklärte der Oberrabbiner.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland wies auf die wachsende Bedeutung der Gedenkstättenarbeit hin und veröffentlichte ein Positionspapier hierzu. Der Staat habe für die finanzielle Absicherung von Sanierung und Instandhaltung der Stätten zu sorgen, heißt es unter anderem darin. Regionale Gedenkorte sollten entwickelt, gewürdigt und unterstützt werden. Zentralratspräsident Josef Schuster erklärte, mit der schwindenden Zahl von Zeitzeugen der Schoah rückten die Gedenkstätten stärker in den Fokus: „Sie sind für das Zusammenleben in einer offenen Gesellschaft unentbehrlich und müssen als authentische Orte erhalten bleiben.“

Christian Dürr, FDP-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, mahnte ein entschlossenes Vorgehen gegen Antisemitismus an. Es sei staatsbürgerliche Pflicht, die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus aufrechtzuerhalten. Jeder und jede sei verantwortlich dafür, dass sich solche Verbrechen nicht wiederholten. Es mache ihm Mut, dass derzeit so viele Menschen bereit seien, ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen.