Historikerin: Gescheiterte 1848er Revolution ebnet Demokratie den Weg

Die gescheiterte Revolution von 1848/49 hat nach Einschätzung der österreichischen Historikerin und Autorin Alexandra Bleyer einen entscheidenden Impuls für die Entwicklung der Demokratie in Deutschland und ganz Europa gegeben. Die Revolutionärinnen und Revolutionäre hätten zwar ihre Ziele zunächst nicht erreicht, sagte Bleyer in Bruchsal dem Evangelischen Pressedienst (epd). Doch habe deren Eintreten für demokratische Freiheits- und Teilhaberechte die alte politische Ordnung endgültig ins Wanken gebracht.

Letztlich sei die von den Fürsten blutig niedergeschlagene Revolution eine „Erfolgsgeschichte“ gewesen, sagte Bleyer, die ein Buch zum Revolutionsjahr 1848 veröffentlicht hat. Auf dem langen und holprigen Weg zur modernen Demokratie sei das Aufbegehren von Bürgerinnen und Bürgern in vielen Ländern Europas gegen eine autoritäre Obrigkeit ein „demokratisches Versuchslabor“ gewesen: „1848 war eine europäische Revolution.“

Ausgehend von Süditalien über Paris, Wien und Berlin habe sich in einer von den Massenmedien befeuerten „Kettenreaktion“ von Revolutionen erstmals eine politische Öffentlichkeit entwickelt, sagte die 1974 geborene Kärntnerin. Auslöser seien repressive politische Systeme, Reformstau sowie soziale und wirtschaftliche Krisen gewesen.

Die Aufstände hätten als „Katalysator“ eines unumkehrbaren Modernisierungsprozesses der europäischen Gesellschaften gewirkt, sagte Bleyer. Erstmals hätten etwa in Deutschland die Menschen für die Grundrechte, eine politische Mitbestimmung, das Wahlrecht sowie Presse- und Meinungsfreiheit auch mit Waffengewalt gekämpft. Zentren seien besonders Baden und die Pfalz gewesen.

Die revolutionären Ideen hätten etwa in Vereinen weitergewirkt: „Sie haben dem demokratischen Denken einen Schub gegeben.“ Als „Schattenseiten der Revolution“ bezeichnete es die Historikerin, dass in ihrem Zuge Nationalismus und Antisemitismus in Europa angewachsen seien. Auch seien Frauen mit ihren Forderungen nach Gleichstellung „die großen Verliererinnen“ gewesen: In Deutschland hätten sie sich erst 60 Jahre später politisch betätigen dürfen.

Die wichtigste Lehre der 1848er Revolution für heute sei es, die Demokratie nicht als selbstverständlich hinzunehmen, betonte Bleyer. „Sie muss erkämpft, gelebt und verteidigt werden.“ (0649/23.03.2024)