Historiker: Kreuzfahrermotto “Deus vult” ist ein Mythos

Der mittelalterliche Kreuzfahrerschlachtruf “Deus vult” wird dank des künftigen US-Verteidigungsministers wieder viel beachtet. Doch hat der Papst wirklich damals damit zu Gewalt aufgerufen? Ein Historiker hat Zweifel.

“Deus vult” also “Gott will es” ziert als tätowierter Schriftzug den Arm des wohl künftigen US-Verteidigungsministers Pete Hegseth. Der Ausruf wird Papst Urban II. als Aufruf zum Kreuzzug im Jahr 1095 zugeschrieben. Aus Sicht des Marburger Historikers Georg Strack handelt es sich dabei jedoch nur um eine Legende. “Urban II. hat dieses Zitat niemals in Texten verwendet, die er selbst oder seine Kanzlei verfasst haben”, sagte Strack der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Nur in einer einzigen Chronik, der von Robert dem Mönch, die etwa zehn Jahre nach dem Kreuzzugsaufrufs des Papstes bei einer Synode im französischen Clermont entstand, werde der Ausruf überhaupt zitiert, erklärt Strack. Dem Verfasser sei aus einer anderen Chronik bekannt gewesen, dass die nordfranzösischen Kreuzfahrer “Deus vult” als Kriegsruf bzw. Erkennungszeichen untereinander nutzten. “Robert ging es darum, den Kreuzzug als göttliches und päpstlich geleitetes Projekt darzustellen, weshalb er behauptete, Urban II. habe den Kriegsruf ‘Deus vult’ in Clermont gehört und für gut befunden.”

Aus Sicht des Historikers ist das jedoch unglaubwürdig; selbst Roberts mittelalterliche Zeitgenossen hätten dem Chronisten wenig Vertrauen geschenkt. Erst unter den Humanisten im 15. Jahrhundert habe die Rhetorik des Mönches wieder wohlwollende Aufmerksamkeit erfahren. “Sie fanden Roberts Chronik plausibel und so wurde der Kriegsruf ‘Deus vult’ ab da sehr häufig zitiert, bald gerieten die anderen Berichte über Urbans Aufruf von Clermont in Vergessenheit”, so Strack.

Einen päpstlichen Ursprung hat der Ausruf also nicht. Wenn er dennoch heutzutage genutzt wird, dann nach Meinung des Historikers von rechtsextremen Kreisen, um eine Brücke zu den Kreuzzügen zu schlagen. Dass er sich wohl damals wie heute vornehmlich gegen Muslime richte, sei zwar eine Verbindung. “Anders als heute hatte der Ruf aber keine rassistische Konnotation, weil es das Konzept der ‘Rasse’ im modernen Sinne nicht gab. Es ging um religiöse Differenzen”, betont Strack.

Und auch die kriegerische Note passe nur bedingt. Papst Urban sei es um eine Reform der Kirche und um Friedensstiftung gegangen. “Deshalb organisierte er auch die Militärhilfe für die Christen im Osten, die im Gebiet der heutigen Türkei Angriffen der muslimischen Seldschuken ausgesetzt waren”, erklärt der Historiker. Auch den sogenannten Kreuzzugsablass, also die päpstliche Erlassung aller Sünden, hätten wohl nur die bekommen, die auf dem Kreuzzug starben, was eher auf das Vorbild des christlichen Martyriums verweise. “Das scheint mir mit Ideen einer Vorherrschaft einer ‘weißen Rasse’ nicht viel zu tun zu haben”, so Strack.

Auf der Brust trägt Hegseth außerdem ein Tattoo mit einem großen Kreuz, umrandet von vier kleineren. Das Symbol, auch bekannt als “Jerusalemkreuz”, wird ursprünglich den Kreuzrittern zugerechnet. Die Darstellung findet sich heute auch in harmloseren Kontexten, etwa auf der Flagge Georgiens.