Historiker: Geschichtswissen gegen Fake News und Ideologien
1888 wurde das Deutsche Historische Institut in Rom gegründet, heute bedeutende Auslandseinrichtung und “Kulturmittler” in Italien und beim Vatikan. Nach zwölf Jahren als Direktor des DHI zieht Martin Baumeister Bilanz.
Der langjährige Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Rom, Martin Baumeister, hält schwindende Geschichtskenntnisse in der Gesellschaft für gefährlich. “Geschichtsvergessenheit, wie wir sie auch in der Politik erleben, schadet gerade in Krisen- und Umbruchzeiten, angesichts von Fake News und dem Einfluss Sozialer Medien”, sagte er im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Wer sich dagegen in Geschichte auskenne, sei in der Lage, “die Ideologisierung von Vergangenheit zu hinterfragen”, so der Professor.
Ein Grund für die wachsende Unkenntnis sieht Baumeister in der Qualität des Geschichtsunterrichts an deutschen Schulen. Auch gehe das Interesse an dem Studienfach zurück. “Das müssen wir zum Teil auf unsere Kappe nehmen”; nur wenige Historiker erreichten eine größere Öffentlichkeit, Fachbücher würden oft nur von Spezialisten gelesen. Zugleich beobachte er eine “gesamtgesellschaftliche Verschiebung in Deutschland”. In Italien sei dies nicht so sehr der Fall. “In Frankreich lässt sich sogar ein sehr ausgeprägtes Bewusstsein der politischen Relevanz von Geschichte beobachten”, sagte der Wissenschaftler.
Baumeister (65) leitete das DHI, eine der bedeutendsten Kultureinrichtungen der Bundesrepublik in Italien, seit 2012. Am 1. Oktober tritt Petra Terhoeven (55), Professorin für Europäische Kultur- und Zeitgeschichte in Göttingen, seine Nachfolge an. Das 1888 gegründete DHI in Rom ist das älteste von weltweit sechs Deutschen Historischen Instituten.
Wie verwundbar diese Einrichtungen seien, zeige das DHI in Moskau, so Baumeister weiter. Die russische Regierung schloss es 2023, indem sie es zur “unerwünschten ausländischen Organisation” erklärte. “Schon vor dem Krieg war sein Fortbestand eine diplomatische Gratwanderung.” Auch andere deutsche Einrichtungen, etwa in Beirut, Istanbul oder Neu Delhi, hätten mit massiver politischer Einflussnahme zu kämpfen, sagte der Historiker. Das DHI in Rom sehe aktuell keinen Anlass zur Sorge um seine Wissenschaftsfreiheit, auch nicht durch die rechtsnationale Regierung Meloni.