Historiker Benz: Israelis müssen Palästinenserstaat ermöglichen

Der Antisemitismusforscher Wolfgang Benz (82) hat sich für verstärkte Bemühungen um eine Zwei-Staaten-Lösung im Nahostkrieg ausgesprochen. Dafür sei „eine energische Diplomatie“ nötig, sagte der Historiker und ehemalige Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU Berlin am Freitagabend in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Benz referierte im badischen Bruchsal über die Reichspogromnacht der Nationalsozialisten vor 85 Jahren.

„Die Israelis könnten die Klügeren sein und Geld in die Hand nehmen und den Palästinensern zu einer friedlichen Koexistenz verhelfen“, sagte Benz. Bis ein eigenständiger palästinensischer Staat aufgebaut sei, sollten die Israelis den Palästinensern partnerschaftliche Hilfe für den Preis des Friedens geben. Durch den Überfall der Hamas sei aber eine solche Lösung in weite Ferne gerückt, sagte der Vorurteilsforscher und Experte zur Geschichte des Nationalsozialismus.

Benz bezeichnete die Kritik an der Politik Israels gegenüber den Palästinensern und seiner Offensive im Gaza-Streifen als legitim. Kritik sei nach den Worten des früheren Bundespräsidenten Johannes Rau eine „Freundespflicht“. „Es ist kein Antisemitismus, wenn ich sage, dass die Politik der Regierung Netanjahu nicht zu einer von der ganzen Welt gewünschten Zwei-Staaten-Lösung und bestimmt nicht zu einem Frieden in Nahost führen wird“, sagte er.

Gegen den in Deutschland wieder offen auf die Straßen getragenen Judenhass müsse entschlossen vorgegangen werden, appellierte Benz. Gewalt gegen Juden gehe derzeit vor allem von jungen arabischen Muslimen aus. Ihr politischer Hass richte sich gegen den israelischen Staat, nicht aber gegen Juden als Einzelpersonen oder Mitglieder einer religiösen Gemeinschaft.

Mit den Novemberpogromen der Nationalsozialisten von 1938 sei die derzeitige Situation in Deutschland nicht zu vergleichen, machte Benz deutlich. Diese seien damals staatlich inszeniert und von der Bevölkerung getragen worden. Einen „spontanen Volkszorn“ habe es nicht gegeben.

Nirgendwo sei Antisemitismus so kriminalisiert und verpönt wie in Deutschland, betonte Benz. Angesichts der aktuellen antisemitischen Vorfälle sei es falsch zu glauben, das Land sei „der Hort einer neuen Judenfeindschaft“. „Die Formel von den gepackten Koffern, auf denen die jüdischen Gemeinde in Deutschland sitzt, ist griffig, wird gerne geglaubt – stimmt aber nicht“, sagte er.

Historiker, Politiker und Lehrer müssten junge Menschen durch rationale Wissensvermittlung zu einem vorurteilsfeien Denken über Minderheiten erziehen, sagte Benz. Derzeit würden vor allem Muslime in Deutschland ausgegrenzt. Aufgabe der Kirchen sei es, den Trialog von Christen, Juden und Muslimen zu suchen.