Hier wird echte Nachbarschaft gelebt

Gegen Einsamkeit im Alter haben die Evangelische Stiftung Alsterdorf und das Wohnungsunternehmen SAGA das Konzept „Lebendige Nachbarschaft“ entwickelt. Im Quartier unterstützen sich die Mieter gegenseitig – nun könnte das Projekt zur Blaupause werden.

Gemeinsame Runde: Katrin Klapper, Elfi Baudis, Heike Klapper und Monika Günl mit Julika Klapper auf dem Arm (v.l.) reden im Gemeinschaftsraum des Rungehauses miteinander.
Gemeinsame Runde: Katrin Klapper, Elfi Baudis, Heike Klapper und Monika Günl mit Julika Klapper auf dem Arm (v.l.) reden im Gemeinschaftsraum des Rungehauses miteinander.Thorge Rühmann

Hamburg. "Heute gibt es Putengeschnetzeltes". Die Antwort der Köchin im Rungehaus im Norden Barmbeks ist an einen besonderen Besuch gerichtet: Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher und Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks informieren sich über das Projekt "Lebendige Nachbarschaft" des Wohnungsbauunternehmens SAGA und der Stiftung Alsterdorf in Hamburg. In der Küche des Wohnblocks gucken die Politiker den Mietern, die dort zusammen kochen, in die Töpfe.
Das "Rungehaus" verbindet drei Wohnblöcke miteinander – architektonisch, aber auch sozial. Denn außer 73 barrierearmen Wohnungen mit 47 bis 65 Quadratmetern Fläche bietet der "RungeTreff" zwei Räume, eine Küche und eine Terrasse zum Innenhof, die für alle offenstehen: Organisiert von freiwillig Engagierten, gibt es hier Gelegenheit zum Essen, Kaffeetrinken und Austausch miteinander. Auch ohne Verabredung ist stets jemand da, den man kennt oder kennenlernen kann.

Verschiedene Formen der Hilfe entstehen

"Das klappt super", lautet das Urteil von Peter Tschentscher. "Unser Ziel ist es, solche Projekte flächendeckend voranzutreiben". Hamburg brauche mehr solcher kleinen, für Rentner bezahlbaren Wohnungen – als Alternativen zu stationären Pflegeeinrichtungen und Seniorenheimen. Bis zu 400.000 Menschen würden in den kommenden Jahren darauf angewiesen sein. Im Quartiersbüro koordiniert Ilse Westermann, die bei einer Tochtergesellschaft der Stiftung Alsterdorf, der "alsterdorf assistenz ost", beschäftigt ist, die gemeinschaftlichen Aktivitäten und kümmert sich bei Bedarf darum, dass es mit dem Pflegeservice für die Mieter klappt. "Es haben sich unterschiedliche Formen der Nachbarschaftshilfe entwickelt", erläutert sie. Beispielsweise könnten die Mieter gemeinsam kochen, Skat spielen, walken, Ausflüge erleben oder sich auch gegenseitig bei anstehenden Arbeiten in der Wohnung helfen – alles Angebote, die auch regelmäßig genutzt würden.

Eigeninitiative hält die Senioren fit

Diese Nachbarschaftshilfe könne eine "wunderbare Ergänzung" sein, so Westermann, um Kontakte zu anderen Menschen zu knüpfen und eben nicht im Alter zu vereinsamen. So könnten sich die Mieter untereinander besuchen, wenn ihnen gerade der Sinn danach steht. Bei den Angeboten gehe es um "etwas Niedrigschwelliges, das gerade älteren Menschen hilft, wieder zurück zu einer Tagesstruktur zu finden – ebenso wie Menschen, die nach einem längeren Krankenhausaufenthalt wieder zurück in ihre Wohnung kommen", so Westermann. Das habe auch einen vorbeugenden Sinn: "Sich selbst zu engagieren, das hält fit". Im Gemeinschaftsraum sitzen eine Handvoll Menschen beisammen, reden miteinander. Monika Günl, frühere Kinderkrankenschwester, hat sich mit Bedacht eine der Wohnungen im Block ausgesucht. "Ich weiß, wie das wird im Alter, seelisch und auch praktisch. Wer möchte schon immer allein sein? Kein Mensch!", sagt sie. Sie lobt das Engagement von Ilse Westermann: "Sie bringt die Menschen zusammen. Weit über das hinaus, was sie tun müsste – sie ist mit Leib und Seele dabei". Die alleinerziehende Mutter Katrin Klapper, die mit ihrer drei Monate alten Tochter Julika dabeisteht, nickt zustimmend. Ihre Mutter Heike Klapper, 76 Jahre, wohnt in einer der Wohnungen im Rungehaus – für die Familie sind die kurzen Wege wichtig, um sich gegenseitig unterstützen zu können. Und die 70-jährige Elfi Baudis sagt: "Ich bin froh, hier zu wohnen!".