Heribert Prantl: Demokratie mit allen Mitteln verteidigen

Angesichts des Anwachsens der AfD hat der Publizist und Verfassungsjurist Heribert Prantl dazu aufgefordert, über ein Parteienverbot nachzudenken. „Zur Verteidigung der Demokratie gehört notfalls ein Parteienverbot“, sagte Prantl am Dienstagabend bei einer Podiumsdiskussion der Hanns-Lilje-Stiftung in der hannoverschen Marktkirche. Der Publizist warb für eine wehrhafte Demokratie, die Extremisten auch nach Wahlen nicht zum Zuge kommen lassen dürfe. „Ich habe nichts gegen Populismus aber etwas gegen Extremismus. Ich will nie mehr eine völkische Politik in Deutschland erleben“, sagte Prantl und erntete in der vollbesetzten Marktkirche Beifall.

Als eine Ursache für die wachsende Attraktivität der AfD bis hin in bürgerliche Kreise nannte Prantl den Umgang des Staates auch mit Kritikern in der Corona-Krise. Prantl lastete hier auch den Kirchen an, es sich „zu leicht“ gemacht zu haben. So habe man etwa zugelassen, dass Sterbenskranke in den Heimen isoliert worden seien.

Die hannoversche Regionalbischöfin Petra Bahr pflichtete ihm teilweise bei, nannte aber vor allem Kinder und Jugendliche als Opfer der Corona-Krise. Das von Prantl geforderte Parteienverbot beurteilte sie skeptisch. Zwar sei die AfD „hochgefährlich“, doch müsse man eher nach den Gründen suchen, warum auch in bürgerlichen Kreisen das Ressentiment gegen die aktuelle Politik wachse: „Die Hürden für ein Parteienverbot sind vom Bundesverfassungsgericht sehr hoch gesetzt.“

Prantl hielt den Eröffnungsvortrag des Diskussionsabends, der sich mit der wachsenden Polarisierung in der Gesellschaft auseinandersetzen wollte. Der Münchener Publizist führte auch die Migrationsbewegungen ins Feld, auf die die Politik nur mit Abwehrreflexen reagiere anstatt über die Ursachen zu informieren. „Es gibt nicht den Knopf, das Migrationsproblem zu lösen.“ Er habe manchmal den Eindruck, dass hier sogar die Grünen den Forderungen der Extremisten nachliefen, sagte Prantl.

Auch die Belastungen durch den Ukraine-Krieg seien ein Grund für das Anwachsen der Extremisten. Hier forderte Prantl mehr Druck auf Friedensverhandlungen. In der anschließenden Diskussion konnte sich die Intendantin des hannoverschen Schauspiels, Sonja Anders, der Forderung nach einem Verbot der AfD anschließen.
Man müsse klar sagen, dass auf der Bühne wie in der Politik für Rassismus kein Platz sei. Die extremistische Partei habe gerade die Theater im Visier, weil diese
schon traditionell für die Rechte der Schwächeren eintreten würden, sagte Anders.

Petra Bahr warb dafür, differenzierter auf das Extremismus-Problem zuzugehen. Dazu zähle auch, dass Ängste in der Bevölkerung ernst genommen werden müssten, etwa die Angst von Frauen vor aggressiven Männergruppen an Hauptbahnhöfen. „Wir müssen intensiver fragen, was sind die Gründe für die wachsenden Ressentiments. “ Sie glaube, dass die Corona-Krise dafür die Grundlage gelegt habe und die darauffolgenden Krisen wie der Ukraine-Krieg und die Inflation das allgemeine Unbehagen noch verstärkt hätten.

Auch der Umgang mit dem Holocaust ändere sich allmählich, warnte Bahr: „Ich höre auch in der sogenannten besseren Gesellschaft jetzt öfter, nun müsse es aber gut sein mit diesem Thema.“ Eine Lösung für die angesprochenen Probleme fanden die Diskutanten auch im Ansatz nicht. Allerdings sei es in der Demokratie schon falsch, immer nur nach dem zu suchen, der den gordischen Knoten zerschlage, sagte Prantl. „Demokratie ist nicht das Zerhauen vom Knoten, sondern ein gemeinsames Zupfen und Ziehen.“ Er beschwor die Kräfte der Zivilgesellschaft, die sich der Sehnsucht nach einfachen Lösungen entgegenstellen müsse.