Henkel-Preis an Osteuropa-Historiker Schlögel verliehen

Der Osteuropa-Historiker Karl Schlögel ist mit dem Gerda Henkel Preis 2024 geehrt worden. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis wurde am Montagabend in Düsseldorf verliehen, wie die Gerda Henkel Stiftung am Dienstag mitteilte. In seiner Preisrede sprach Schlögel über den „Schock“ des russischen Überfalls auf die Ukraine und schilderte der Stiftung zufolge, wie er sein Russlandbild revidieren und als Wissenschaftler noch einmal neu beginnen musste.

„In einer Zeit, in der Russland zum Gegner, zum Feind geworden ist und ins Abseits der wissenschaftlichen Auseinandersetzung zu geraten droht, muss die Losung lauten: Jetzt erst recht! Nicht nur Ukraine-, sondern auch Russlandstudien auf der Höhe der Zeit!“, zitierte die Stiftung aus der Rede des Preisträgers. Besonders in Deutschland stehe eine Diskussion zur Bewältigung des „Putinismus“ noch aus. Der 76-jährige Schlögel rief zur Solidarität mit politisch Verfolgten in Russland und im Exil auf.

Schlögel habe das Verständnis der neueren Geschichte Russlands, der Sowjetunion und des östlichen Europas „wesentlich geprägt“, hatte die Jury die Wahl des Preisträgers begründet. Zudem zeige Schlögel, „dass historische Urteilskraft und stetige kritische Selbstreflexion unerlässlich sind, wenn wir die Konflikte der Gegenwart angemessen verstehen wollen“. Schlögels Werke verbänden persönliche Reiseerfahrungen und Alltagsbeobachtungen mit profundem historischem Wissen und scharfsinniger Analyse.

Schlögel arbeitet zu Themen wie stalinistischem Terror und der sowjetischen Moderne, zu Zwangsmigration und der russischen Diaspora sowie zur Ukraine. 2023 habe er mit „American Matrix“ die Geschichte des 20. Jahrhunderts als eine Verflechtungsgeschichte der Imperien USA und Sowjetunion „ganz neu erzählt“, hieß es.

Schlögel, Jahrgang 1948, war von 1995 bis 2013 Professor für Osteuropäische Geschichte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder und lehrte zuvor an der Universität Konstanz. Der emeritierte Professor lebt in Berlin und wurde mehrfach ausgezeichnet, etwa 2004 mit dem Sigmund-Freud-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, 2016 mit dem Preis des Historischen Kollegs oder 2018 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse.

Die Gerda Henkel Stiftung vergibt den Preis für herausragende Forschungsleistungen seit 2006 alle zwei Jahre an exzellente und international anerkannte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Zuvor hatte die US-Wissenschaftshistorikerin Lorraine Jenifer Daston die Auszeichnung 2022 erhalten.