Hans Joachim Meyer: Ex-Minister und ZdK-Präsident gestorben

Er war Minister unter Lothar de Maiziere und Kurt Biedenkopf. Und er war oberster Laienkatholik in Deutschland. Am Freitag starb Hans Joachim Meyer im Alter von 87 Jahren.

Er mochte am liebsten in keine Schublade gesteckt werden. „In keiner Schublade“ lautete denn auch der Titel seiner elegant formulierten Autobiografie 2015. Hans Joachim Meyer hat turbulente Zeiten erlebt: als Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), aber auch als Sächsischer Wissenschaftsminister und CDU-Politiker in den Kabinetten von Kurt Biedenkopf und zuvor als Bildungsminister der letzten, frei gewählten DDR-Regierung von Lothar de Maiziere. Am Freitag starb der gebürtige Rostocker im Alter von 87 Jahren in Potsdam, wie seine Familie am Samstagabend mitteilte.

Unabhängiges Denken und Hartnäckigkeit – diese Eigenschaften kamen dem Sohn eines Apothekers und einer Lehrerin schon zu DDR-Zeiten zu Gute. Das Jurastudium musste er 1958 aus politischen Gründen abbrechen, ein Jahr später durfte sich Meyer für Anglistik und Geschichte in Ost-Berlin einschreiben. Trotz Distanz zum SED-Staat schaffte er es zum Professor der Sprachwissenschaften.

Seit den 1970er Jahren engagierte sich der Katholik mit preußischer Ausstrahlung in der Kirche. Er lernte dort, „was eine freie und demokratische Debatte ist“. Nach der Wende leitete Meyer den „Gemeinsamen Aktionsausschuss katholischer Christen in der DDR“ und wurde ins ZdK berufen – das höchste Gremium des deutschen Laien-Katholizismus. In dieser Zeit begann auch seine politische Karriere. Lothar de Maiziere (CDU) machte den unbelasteten Akademiker 1990 zum Wissenschafts- und Bildungsminister der letzten DDR-Regierung.

Meyer weinte der DDR keine Träne nach. Aber er verleugnete nicht seine Prägung, sein „Ossi-Herz“, wie er selber schrieb. Und so konnte er das Dilemma beschreiben, das viele frühere DDR-Bürger noch heute empfinden: „Wir wollten der Bundesrepublik beitreten und doch wir selbst bleiben.“ Doch während viele Westdeutsche in ihrem Alltag von der Wiedervereinigung nur begrenzt berührt waren, wurde das Leben der Ostdeutschen komplett umgekrempelt. Das Übermaß der Westbestimmung, westdeutsche Arroganz und Besserwisserei habe die Wirklichkeit des Ostens entwertet, schrieb er. Dass es die Deutschen in der DDR waren, „die als erste jene Freiheit errangen“, davon, so Meyer, „spricht und schreibt im Westen so gut wie niemand“.

Auch als sächsicher Bildungsminister wehrte sich Meyer zu Beginn der 1990er Jahre dagegen, die Universitäten und Schulen der untergegangenen DDR zum Abbruch freizugeben. Das Bildungswesen der DDR sei zwar „hochideologisiert“ gewesen, „aber in seinem fachlichen Kernbestand solide und anwendungsorientiert“.

Von 1997 bis 2009 stand Meyer als erster Ostdeutscher an der Spitze des ZdK – das war noch vor dem Missbrauchsskandal, der die Koordinaten der Kirche stark verändern sollte. Den von Papst Johannes Paul II. durchgesetzten Ausstieg der Kirche aus der Schwangerenkonfliktberatung bezeichnete Meyer als bitterste Erfahrung seiner Amtszeit. Unbeirrt unterstützte er die Gründung des Vereins Donum Vitae, durch den prominente Katholiken die Schwangerenkonfliktberatung fortsetzen.

Dialogbereitschaft, aber auch Hartnäckigkeit und eine bisweilen harsche Wortwahl zeichneten Meyer als ZdK-Präsidenten aus. Dem Papst und den Bischöfen in allem gehorsam zu sein, hielt er für „unkatholisch“. Schließlich gehöre er nicht einer „Kommandokirche“ an, betonte er.

Auch im Ruhestand blieb Meyer ein gefragter Redner und Interviewpartner. Dabei teilte er ohne ideologische Scheuklappen in alle Richtungen aus. So hielt er seinen ostdeutschen Landsleuten mit Blick auf die Erfolge von AfD und Pegida einen Mangel an Dialogfähigkeit und Weltoffenheit vor. Den Westdeutschen warf er dagegen ein unterentwickeltes Nationalbewusstsein vor, das dem Rechtspopulismus Auftrieb gebe.

In seinem Heimatbistum war Meyer zuletzt der prominenteste Wortführer der Gegner eines Umbaus der Berliner Sankt-Hedwigs-Kathedrale. Unbeirrt verteidigte er die bestehende Raumgestalt mit der markanten Bodenöffnung, die beim Wiederaufbau vor 50 Jahren entstand, als „geniales Zeugnis zeitgenössischer Architektur“. Und Meyer betonte: „Wir Katholiken im Ostteil der Stadt waren stolz auf diese Neuschöpfung der Kathedrale“. Damit hatte er allerdings keinen Erfolg.