In diesem Sommer hat Hallyu, die koreanische Welle, einen neuen Höhepunkt erreicht: Der südkoreanische Animationsfilm „KPop Demon Hunters“ wurde zum bislang erfolgreichsten Film beim Streamingdienst Netflix. Die Musik zum Film ist millionenfach bei YouTube aufgerufen worden, in Deutschland kürte das Marktforschungsunternehmen Gfk Entertainment den Song „Golden“ aus dem Soundtrack zum offiziellen Sommerhit 2025.
Musik, Serien, Beauty, nahezu alles aus Südkorea scheint im Trend zu sein. Das Lied APT von Rosé, einer Sängerin der koreanischen Girlgroup „Blackpink“, läuft seit Monaten im Radio rauf und runter. Der rbb hat seit 2024 eine eigene K-Pop-Sendung im Radio. Und es gibt etliche Podcasts, in denen Fans über ihre Lieblingsbands oder K-Pop im Allgemeinen reden.
Die 21-jährige Tübinger Studentin Lovis produziert einen dieser Podcasts in ihrer Freizeit. In „K-Pop imnida“ spricht sie über Bands, Konzerte und alles, was mit K-Pop zu tun hat. Sie sei eher zufällig Fan geworden, erzählt Lovis: „Während Corona war ich, wie wahrscheinlich viele andere auch, oft in den sozialen Medien unterwegs und irgendwann hat mir mein Feed einen Ausschnitt aus einem Konzert vorgeschlagen.“ Im Nachhinein glaubt sie, dass es ein Video von BTS war, der international erfolgreichsten Band aus Korea. Am Anfang habe sie vor allem die Mischung aus Gesang und Tanz begeistert. „Es gibt aber auch noch richtig viel zusätzlichen Content, wie Behind-The-Scenes Videos oder Interviews mit den Stars. Dadurch fängt man an, den Artist selber mehr zu mögen, weil man das Gefühl bekommt, ihn kennen zu lernen.“
Dieses Beispiel zeigt, wie gut das Marketing hinter den koreanischen Bands funktioniert: „Das liegt an einer sehr gut ausgebauten Infrastruktur in der Unterhaltungsbranche“, erklärt Lee Suhyun, koreanische Doktorandin in der Abteilung für Koreanistik der Universität Tübingen. Sie hat ihre Masterarbeit über K-Pop geschrieben und gibt Seminare für Studierende über das Thema. In Südkorea würden junge Talente gezielt gefördert und ausgebildet. „Es gibt ein richtiges Trainings-System. Seit 2010 gehen viele dieser jungen Menschen gar nicht auf normale Schulen, sondern werden in den großen Unterhaltungsunternehmen auf ihre Zukunft als Idol vorbereitet und dort auch unterrichtet.“ Und das lange, bevor sie in der Öffentlichkeit ihr Debüt geben.
Der Grundstein wurde bereits in den 1990er Jahren gelegt. Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre gab es in Südkorea einen politischen Umbruch. Skandale im Umfeld der alten autoritär geführten Regierung und die gewaltsame Zerschlagung von Studierendenprotesten sorgten für ein Umdenken in der Gesellschaft. Viele Koreaner wollten ein Mitspracherecht in der Politik, sie forderten ein demokratisches System und haben es durchgesetzt bekommen. „In dieser Zeit hat sich die Einstellung der Menschen verändert. Nach dem Ende der autoritären Regierung waren sie viel freier, sie haben die Möglichkeit gesehen, wieder mehr in ihre Kultur zu investieren und diese zu verbessern“, erklärt Lee Suhyun.
Ende der 1990er Jahre habe der damalige Präsident Kim Dae-Jung dann das große wirtschaftliche Potenzial im Export von Unterhaltungsprodukten erkannt. „1998 waren koreanische Bands zum Beispiel schon sehr erfolgreich in China und Taiwan, Anfang der 2000er hat das K-Drama “Winter Sonata„ in Japan für steigende Popularität koreanischer Inhalte gesorgt“, erklärt Lee Suhyun.
Die Regierung begann, die Unterhaltungsbranche finanziell zu fördern, nicht nur im Bereich Musik, sondern vor allem auch im Bereich Film und Fernsehen. Auch die Unternehmen haben begonnen, ihre Produkte vermehrt im Ausland zu vermarkten, erst nur in den umliegenden Ländern, später weltweit. Das Konzept der damaligen Regierung und der Unternehmen ist aufgegangen. Die koreanische Unterhaltungskultur ist ein großer Wirtschaftsfaktor in Südkorea geworden. Allein Netflix möchte laut einer öffentlichen Aussage des Content-Chefs Ted Sarandos bis 2028 2,5 Milliarden Dollar in koreanische Inhalte investieren.
Dass koreanische Musik, Filme und Serien so gut beim internationalen Publikum ankommen, liegt aber nicht nur an gutem Marketing, finanzieller Förderung und hohen Investitionssummen. Die Inhalte scheinen bei vielen Menschen einen Nerv zu treffen, wie bei Lovis: „Ich mag die große Diversität: In der Musik gibt es alles von Balladen, über Lieder mit Rap-Einlagen bis hin zu Metal. Was mir an den Serien so gefällt, ist, dass sich die Koreaner nicht auf ein Genre festlegen. Es kann in einer Serie alles passieren, auch Unerwartetes. Aus westlichen Medien kennt man das nicht so, deshalb finde ich es schön, weil es mal was anderes ist.“ (2718/24.10.2025)