Gerade hat Venedig Bilanz gezogen: 720.000 Tagesgäste haben 2025 bisher 5,4 Millionen Euro Eintritt bezahlt. Mit dieser Maßnahme will die Lagunenstadt den Tourismus eindämmen. Doch es gibt noch ganz andere Probleme.
Venedig hat schon wieder Ärger mit seinen Gästen. Die Lagunenstadt sieht sich von “Hungerleider-Touristen” überschwemmt, die höchstens ein Stück Pizza im Stehen essen und Souvenirs “Made in China” kaufen. “Es gibt eine Explosion des Overtourism wie nie zuvor, mit Leuten, die herumlaufen, ohne Geschäfte zu betreten und ohne überhaupt zu wissen, wo sie sind”, sagte der Präsident des Vereins Piazza San Marco, Setrak Tokatzian, der Zeitung “Corriere del Veneto” (Dienstag). Das sei “obszön”, so der Chef der Vereinigung von historischen Cafés, Juwelieren und Glashandwerkern.
Statt der seit 2024 zu bestimmten Zeiten erhobenen Tagesgebühr von 5 Euro für Frühbucher und 10 Euro für Spontanbesucher will Tokatzian künftig 100 Euro verlangen – um jene zu vertreiben, die sich das nicht leisten können. Damit hat Venedig nach den Protesten gegen die Promi-Hochzeit von Amazon-Chef Jeff Bezos im Juni ein neues Aufregerthema.
Tokatzians Vorgänger Claudio Vernier distanzierte sich von der Idee. Zwar könne er die Kritik an einer gescheiterten Politik nachvollziehen, doch spiegele sie weder die Werte des Verbandes noch der Händler Venedigs wider. “Ich mache mir Sorgen um das Image unseres Verbandes.”
Der Chef der Unternehmervereinigung Confcommercio, Roberto Panciera, sprach von schwierigen Zeiten durch die neue Art von Touristen: “Viele fotografieren die Schaufenster, gehen aber nicht hinein, vielleicht in der Annahme, das Produkt online zu finden.” Simone Venturini von Vendedigs Tourismusrat ergänzte, der Luxussektor stecke international in Schwierigkeiten, nicht nur in Venedig. Statt einer 100-Euro-Gebühr schlägt er eine Staffelung des Tagestickets auf Basis der Besucherzahl vor: 10 Euro bei bis zu 20.000 Touristen, 15 bis 20 Euro, sobald es mehr sind.
Auf Ablehnung stößt der 100-Euro-Vorschlag bei Bruno Barel, dem ersten Prokurator der Basilika San Marco. “Die Stadt ist demokratisch, und ihre Gemeinschaft war schon immer klassenübergreifend”, sagte er. “Ich bin nicht davon überzeugt, dass viele ein Venedig nur für Wohlhabende oder Menschen wie Jeff Bezos wollen”, so der Jurist, der für den Schutz des Markusdoms und seiner jährlich drei Millionen Besucher zuständig ist.
Seit Juli kann die Basilika nur nach einer Online-Reservierung für 10 Euro besichtigt werden. Damit seien die endlosen Warteschlangen verschwunden, so dass Touristen mehr Zeit bleibe, um Venedig kennenzulernen. “Die Stadt ist kulturell sehr lebendig, und darauf müssen wir uns konzentrieren, auch bei jungen Menschen.” Deshalb erhebt die Basilika für Schulklassen keinen Eintritt. “Schönheit ist universell”, sagte Barel. Sie sei für Feinschmecker, aber auch für einfachere und bescheidenere Menschen, “die etwas von der Magie der Lagunenstadt mit nach Hause nehmen möchten”.
Kürzlich hatte Venedig Bilanz gezogen für ihre zweite Testphase mit Eintrittsgebühren für Tagestouristen: An 54 festgelegten Tagen zwischen April und Juli zählte die Stadt mehr als 720.000 Besucher, die insgesamt 5,4 Millionen Euro zahlten. 2024 hatte die Lagunenstadt zu der Maßnahme gegriffen, um nach eigenen Angaben den Tourismus zu kontrollieren und einzudämmen.