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Habeck will bei den Grünen keine führende Rolle mehr spielen

Er inszenierte sich am Küchentisch und dachte laut über seine Rolle in der Politik nach: Die Kanzlerkandidatur von Robert Habeck hat den Grünen kein gutes Wahlergebnis eingebracht. Daraus zieht er nun Konsequenzen.

Im Bundestagswahlkampf gab sich Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck gerne als Außenseiter und als “Underdog”. Das Wahlergebnis gibt dem amtierenden Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler nun recht: Mit 11,6 Prozent landen die Grünen deutlich abgeschlagen auf dem vierten Platz. Für ihn persönlich heiße das, dass er keine führende Rolle im Personaltableau der Partei mehr anstrebe, sagte Habeck am Montag nach der Wahl. Er habe mehr gewollt. Auf mehrmalige Nachfrage von Journalisten, ob er auch sein Abgeordnetenmandat nicht antreten wolle, antwortete der Grünen-Politiker allerdings ausweichend.

Noch Anfang Januar hatte Habeck gesagt, er glaube, der Ball für einen Grünen-Kanzler habe 2021 bei der Wahl auf dem Elfmeterpunkt gelegen und sei nun gerade einmal über die Mittellinie gespielt. Viel weiter kam die Offensive dieses Mal dann auch mit “Team Robert” nicht mehr – allen Küchentisch-Gesprächen, Interviews, TV-Runden, Plakaten und dem Mitte Januar erschienenen Buch des Kandidaten, “Den Bach rauf”, zum Trotz. Am Ende verloren die Grünen 3,1 Prozentpunkte gegenüber der vorherigen Bundestagswahl, stürzten aber immerhin weniger stark ab als die beiden ehemaligen Ampel-Partner SPD und FDP.

Habeck gehörte zu den prägenden Köpfen der gescheiterten Ampel, was sicherlich auch eine Hypothek im Wahlkampf darstellte. Als Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz stand der 55-Jährige in den vergangenen Jahren oft im Fokus.

Den Umgang mit den Energiesorgen nach dem russischen Angriff auf die Ukraine konnte er zwar als Erfolg verbuchen. Dass Deutschland derzeit in einer Rezession steckt, war für die Opposition hingegen eine Steilvorlage, um ihn anzugreifen. Und dass das sogenannte Heizungsgesetz zum öffentlichen Desaster geriet und – wie auch das Gebaren der Ampel insgesamt – zu einem Vertrauensverlust führte, räumte Habeck selbst immer wieder ein.

Zur Politik kam Habeck, 1969 in Lübeck geboren, vergleichsweise spät. Mitglied der Grünen wurde er erst 2002 mit Mitte 30 – nach Zivildienst, Studium der Germanistik, Philosophie und Philologie in Hamburg, Freiburg und Dänemark sowie einer literaturwissenschaftlichen Doktorarbeit. Seine politische Karriere verlief dafür umso steiler: 2004 wurde er Landeschef der Grünen in Schleswig-Holstein, 2009 Fraktionschef im dortigen Landtag, 2012 Vize-Ministerpräsident und Landesagrarminister, 2018 gemeinsam mit Annalena Baerbock Vorsitzender der Bundespartei.

Bei der Wahl 2021 traten die beiden damaligen Grünen-Chefs als Spitzen-Duo an, wobei Habeck Baerbock den Vorzug als erste Kanzlerkandidatin der Parteigeschichte gab. Den vermeintlichen Elfmeter verwandelte die spätere Außenministerin dann zwar nicht, doch die Grünen traten in die Regierung mit SPD und FDP ein.

Im vergangenen Sommer habe er sich gefragt, ob er noch einen sinnvollen Beitrag leisten könne oder aufhören sollte mit der Politik, sagte Habeck bereits zum Jahresbeginn dem “Spiegel”. Er entschied sich damals fürs Weitermachen. Über die drei Ampel-Jahre sprach der Grünen-Politiker als “Jahre der Härtung”. Das Lied “Du, lass dich nicht verhärten” von Wolf Biermann sei sein politisches Lebensmotto für diese Zeit. Habeck gab sich auch als Spitzenpolitiker stets gerne nahbar, pflegte sein Kumpel-Image.

Öffentliches Räsonieren gehörte zu seinen Markenzeichen, genauso wie das Erklären von Politik oder die Schaubilder, die Habeck bei Pressekonferenzen bisweilen zeigte. Er ist ein Mann des Wortes: Vor seinem Politikerleben veröffentlichte er als freier Schriftsteller mit seiner Frau – gemeinsam haben sie vier Söhne – Romane und Kinderbücher. Die Universität Tübingen würdigte 2023 sein Internetvideo gegen Antisemitismus in Deutschland als “Rede des Jahres”.

Nach seinem Glauben gefragt, sagte Habeck einmal, das Christentum habe ihn “tief geprägt”, inzwischen sei er aber ein “säkularer Christ”. Er habe sich im Laufe der Zeit vom Glauben entfernt, nachdem er sich im Studium mit philosophischen Gottesbeweisen beschäftigt habe. Er teile aber weiter die Werte des Christentums.