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Gute Stimmung zerrissen: Todesfahrt durch Mannheimer Fußgängerzone

Eigentlich war in Mannheim alles für die örtliche Straßenfasnacht vorbereitet. Doch gegen 12.15 Uhr bricht der Schrecken über die Haupteinkaufsstraße herein: Ein Auto rast in eine Gruppe von Menschen.

Die Sonne scheint, der Himmel ist blau: Am Dienstag sollte in Mannheim die traditionelle Straßenfasnacht stattfinden, die Buden sind schon aufgebaut. Es ist ein Tag, zu dem keine Todesfahrt passt. Keine Toten. Keine Schwerverletzten. Findet Alvaro. “Ich weiß, das klingt jetzt komisch, aber das passt in die Stimmung nicht rein, das kam so plötzlich”, sagt der 19-Jährige. Er steht mit einem Freund vor dem Absperrband, das die Polizei um den Paradeplatz, den zentralen Platz in der Mannheimer Innenstadt, gezogen hat.

Es ist 17.00 Uhr am Rosenmontag und vor rund sechseinhalb Stunden, mittags gegen 12.15 Uhr, ist ein Autofahrer durch die Fußgängerzone, über die Haupteinkaufsstraße “Planken”, gerast. Er soll, so berichtet es eine Person unter Berufung auf Augenzeugen, in eine Gruppe von Menschen gefahren sein, die auf einer Holzbank saßen. Eine Person sei durch die Luft geschleudert worden.

Das Polizeipräsidium Mannheim wird später als Opfer zwei Tote und mehrere teils schwer verletzte Personen bestätigen. Zum mutmaßlichen Täter äußert sich Polizeisprecher Stefan Wilhelm nicht; es soll sich aber um einen Einzeltäter handeln.

Offensichtlich beobachtete ein Taxifahrer den Vorfall am Paradeplatz und folgte dem davonrasenden Fahrzeug, das weiter die Planken hinunterfuhr. Nach einem missglückten Wendemanöver vor einer Auffahrt über eine Brücke, die über den Rhein nach Ludwigshafen führt, stellte sich der Taxifahrer dem Fahrer in den Weg, wie Jürgen Schwarz, Geschäftsführender Vorstand der Taxizentrale Mannheim, bestätigt. “Der Mann ist der Held des Tages”, sagt Schwarz.

Der mutmaßliche Täter sei daraufhin aus dem Auto gestiegen, habe einen Schuss aus einer Waffe abgegeben und sei Richtung Mannheimer Hafen gelaufen. Beim Tatfahrzeug der mutmaßlichen Amokfahrt handelt es sich um einen Kleinwagen mit Ludwigshafener Kennzeichen. Laut Schwarz ist der Fahrer des Taxis aktuell nur bedingt vernehmungsfähig und steht unter Schock. “Wir sind erschüttert, dass so etwas in Mannheim passiert, wieder passiert – nach dem Attentat auf dem Marktplatz.”

Ende Mai 2024 hatte ein in Deutschland lebender Afghane nur wenige hundert Meter entfernt auf dem Marktplatz bei einer Kundgebung mehrere Menschen angegriffen. Ein Polizist starb, der Prozess gegen Sulaiman A. hat gerade in Stuttgart begonnen.

“An öffentlichen Plätzen ist man nicht mehr sicher, das ist ein Fakt”, sagt Alvaro, der im vergangenen Jahr in Mannheim sein Abitur gemacht hat. Gerade jobbe er, er wolle Geld verdienen, um dann durch die Welt zu reisen. “Wie weit muss man gekommen sein, um so etwas zu tun?”, fragt er. Dahinter könne nur ein großer Hass auf Menschen stehen.

Freddy ist mit dem Fahrrad da. Der 48-Jährige wohnt auf der anderen Seite des Rheins in Ludwigshafen. Er mache häufig eine Radtour durch die Stadt und am Neckar entlang. Das Attentat am Mannheimer Marktplatz habe er hautnah erlebt, er sei damals vor Ort gewesen, erzählt er. Da sei er schon ins Grübeln gekommen. Aber er wolle sich nicht einschüchtern lassen, nicht von den Nachrichten im Fernsehen, nicht von schrecklichen Taten wie jetzt in Mannheim, wie vor ein paar Wochen in Berlin, in München, in Aschaffenburg. “Ich werde deshalb nichts meiden, es soll passieren, was passiert”, sagt Freddy.

Derweil machen sich Politiker auf den Weg nach Mannheim. Wieder einmal. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wollen zusammen mit Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) noch am Abend Stellungnahmen am Tatort abgeben. Die Menschenmenge, die sich am Nachmittag noch auf der Terrasse des Stadthauses, das am Paradeplatz liegt, versammelt hatte, hat sich längst aufgelöst. Die Sonne hat den Platz verlassen, die Straßenfasnacht für Dienstag ist abgesagt.