Die Vorwürfe ritueller Gewalt in Bistümern der katholischen Kirche sind laut einem Gutachten nicht gerechtfertigt. Die Untersuchung einer Kölner Anwaltskanzlei über angebliche kriminelle Netzwerke in den Bistümern Essen und Münster sowie im Erzbistum Köln wurde am Donnerstag in Münster vorgestellt.
Etwa ein Dutzend Menschen hatten zum Teil namhaften Kirchenvertretern – unter anderem Erzbischöfen, Bischöfen und Kardinälen – vorgeworfen, sie seien Teil krimineller Netzwerke, die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sowie Leib und Leben verübt hätten. Dazu sollen Vergewaltigungen, erzwungene Abtreibungen oder Tötungsdelikte gehört haben.
Die von den Bistümern beauftragte Kanzlei habe mit einem Großteil der betroffenen Menschen gesprochen. Zudem wurde auf Basis der Gesprächsprotokolle und weiterer Akten ein psychologisches Gutachten erstellt. Fazit: „Allen Betroffenenaussagen ist das vollständige Fehlen konkreter objektiver Nachweise gemeinsam.“ Als Erklärung für die Vorwürfe benennt die Untersuchung mögliche „suggestive Einflüsse von außen, insbesondere im Therapiekontext“.
Laut dem Gutachten von zwei Fachpsychologinnen basieren die Aussagen der vermeintlichen Opfer ritueller Gewalt vermutlich „auf Scheinerinnerungen“ und „falschen autobiografischen Erinnerungen“. Der Untersuchungsbericht der Kanzlei kritisiert in diesem Zusammenhang unter anderem das Wirken der früheren „Beratungsstelle Organisierte sexuelle und rituelle Gewalt“ des Bistums Münster sowie den „Arbeitskreis Rituelle Gewalt“ der Bistümer Essen, Münster und Osnabrück.
Zwar ist es aus Sicht der Kanzlei unstrittig, dass es sexualisierte Gewalt im Kontext von Ideologien, Sekten und Religionen auch mit rituellen Bezügen gebe. Für Strukturen und Taten einer „Rituellen-Gewalt-Theorie“ gebe es jedoch weder aus wissenschaftlicher noch aus kriminalistischer Sicht Belege. Es sei „fernliegend, dass solche Täternetzwerke über Jahrzehnte derartige Straftaten begingen und dabei gänzlich unentdeckt blieben“.
Das im Jahr 2021 von der Deutschen Bischofskonferenz für die Fälle sexualisierter Gewalt eingeführte Verfahren zur Anerkennung des Leids habe sich in diesem Fall als „kontraproduktiv“ erwiesen. Der Ansatz, den Betroffenen zu glauben und ihre Aussagen nur zurückhaltend kritisch zu überprüfen, sei zwar grundsätzlich richtig, erklärten die Gutachter. In den behaupteten Fällen „ritueller Gewalt“ habe er jedoch dazu geführt, dass zum Beispiel die Kosten für – teils jahrelange – Therapien übernommen würden, „die gerade nicht zu einer Verbesserung des Zustands der Betroffenen führen, sondern im Zweifel deren Leid verstärken könnten“. Die Bistümer Essen und Münster sowie das Erzbistum Köln hätten gleichwohl entschieden, für die Betroffenen weiterhin Therapiekosten zu übernehmen, aber nur von Therapeuten, die nicht die „Rituelle-Gewalt-Theorie“ vertreten.