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“Cinema del Sol”: Großes Kino aus Fahrradboxen

Ein ganzes Kino in zwei Fahrradanhängern: Das “Cinema del Sol” aus Hannover ist ein besonderes Wanderkino. Die Filme laufen meist Open Air und alles funktioniert komplett mit der Kraft der Sonne.

Hartmut Münch vom Verein "Hannover summt" gibt eine kurze Einführung in den Film "Ein Himmel voller Bienen", der dort gleich starten soll
Hartmut Münch vom Verein "Hannover summt" gibt eine kurze Einführung in den Film "Ein Himmel voller Bienen", der dort gleich starten sollepd-bild/ Karen Miether

Hartmut Münch ist zufrieden: Das in diesem Sommer oft launische Wetter hält sich, die Zeichen für einen unbeschwerten Kinoabend stehen gut. Auf dem Programm steht der preisgekrönte Film „Ein Himmel voller Bienen“, unter freiem Himmel und bei freiem Eintritt. „Das ist hier alles in unserem Sinne“, sagt Münch, lässt den Blick aus seiner hölzernen Verkaufsbude über die weite Rasenfläche schweifen und füllt Popcorn in Tüten.

Münch ist Vorsitzender des Vereins „Hannover summt“, der sich für den Schutz der Bienen einsetzt und an diesem Abend das Wanderkino „Cinema del Sol“ (deutsch: Sonnenkino) von Verena und Volker Stahnke nach Hannover-Nord in den Garten des Schulbiologischen Zentrums eingeladen hat. Auf der Wiese haben Stahnke und sein Kollege schon alles vorbereitet: Sie sind mit zwei Fahrrädern und Anhängern vorgefahren, auf denen je ein Sonnenkollektor montiert ist. In zwei großen Metallboxen haben sie alles mitgebracht, was es für großes Kino braucht: die Leinwand, einen klappbaren Rahmen, Erdanker, zwei Lautsprecher, einen Beamer, Kabel.

Kino „Cinema del Sol“ läuft komplett mit Sonnenenergie

An diesem Abend bedecken Wolken den Himmel. Doch wo Stahnke mit dem „Cinema del Sol“ gastiert, ist immer die Sonne mit im Spiel. „Die haben wir vorher im Garten eingesammelt“, sagt er und lacht. Das Kino läuft komplett mit Sonnenenergie.

Volker Stahnke ist auf dem Gelände des Schulbiologischen Zentrums in Hannovers Nordstadt mit dem Fahrrad vorgefahren
Volker Stahnke ist auf dem Gelände des Schulbiologischen Zentrums in Hannovers Nordstadt mit dem Fahrrad vorgefahrenepd-bild / Karen Miether

Die Solarpaneele auf den Fahrradanhängern speisen je einen Akku mit einer Kilowattstunde Leistung. „Davon reicht einer, wir arbeiten energiesparend“, erklärt Stahnke. „Der andere ist zur Sicherheit dabei.“ Der gelernte Filmtheaterkaufmann und seine Frau Verena, eine Umweltwissenschaftlerin, vermitteln mit ihrem „Büro für Naturetainment“ Umweltbildung auf unterhaltsame Weise. Oft geht es um Klimafragen, sie werden beispielsweise aus dem Klimafonds des örtlichen Energieversorgers unterstützt.

„Cinéma Solaire“: 100 Prozent solarbetrieben und ohne Motor

Mit ihrem Solarkino reisen sie durch die Region, im Auftrag von Kooperationspartnern wie einer Selbsthilfe-Fahrradwerkstatt, Migrantinnen-Initiativen, Kirchengemeinden oder eben heute „Hannover summt“. Sie spielen meist unter freiem Himmel auf Dorf- oder Kirchplätzen oder schon mal in einer Straßenunterführung.

Die Idee und erste Tipps dafür haben sie aus der Schweiz bekommen, wo Reto Schmid und Christof Seiler schon 2007 das „Cinéma Solaire“ ins Leben gerufen haben, das ganz klein begann und inzwischen in Zürich, Bern, Basel und Winterthur Filme zeigt. „Cinéma Solaire“ vermietet auch die Ausrüstung, 100 Prozent solarbetrieben und ohne Motor, wie die beiden Betreiber versichern.

Hartmut Münch und seine Tochter Olivia verkaufen Popcorn für den Kinoabend unter freiem Himmel
Hartmut Münch und seine Tochter Olivia verkaufen Popcorn für den Kinoabend unter freiem Himmelepd-bild / Karen Miether

Kino mit der Kraft der Sonne, das ist auch ein Modell für afrikanische Staaten, wo Strom oft knapp ist. Im südlichen Afrika sorgt die Initiative „Sunshine Cinema“ nicht nur für Unterhaltung, sondern will zugleich arbeitslosen jungen Menschen eine Perspektive bieten. Sie stattet Jung-Unternehmer mit solarbetriebenem Equipment aus. Mit der Filmauswahl wollten die Macher zudem „die Kraft des Geschichtenerzählens“ etwa im Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit und geschlechterbedingte Gewalt nutzen, heißt es auf ihrer Homepage.

Das „Cinema del Sol“ war in den vergangenen Jahren auch viel im Ruhrgebiet unterwegs, wie Volker Stahnke erzählt. Im vergangenen Jahr machte es beispielsweise Station in Witten. Die dortige Koordinierungsstelle Stadterneuerung und Klimaschutz hatte in Kooperation mit der Wabe mbH, der Wittener Gesellschaft für Arbeit und Beschäftigung, einen Solarkino-Abend ermöglicht. Die Wabe hat das Konzept der Stadt zufolge mittlerweile übertragen und für Witten angepasst. Als Projekt „Wabe del Sol“ bietet es neben Kino auch solare Street Music an.

“Cinema del Sol”: Ein Format, das überall gut ankommt

Volker Stahnke freut das: „Wir geben gern Wissen weiter“, sagt er. „Das ‘Cinema del Sol’ ist ein Format, das bestimmt an vielen Orten eine gute Nachfrage finden wird.“

Im Garten des Schulbiologischen Zentrums haben die Kinomacher inzwischen Holzbänke vor die Leinwand getragen. Zum Einbruch der Dämmerung füllen sich die Reihen. Erfahrene Besucherinnen und Besucher haben eigene Klappsessel mitgebracht. Und dann heißt es: Vorhang auf für den Himmel voller Bienen.