Große Lücke beim Klimaschutz – und beim Geld
Es sind keine erfreulichen Nachrichten, mit denen die Verhandler in wenigen Tagen zum Weltklimagipfel nach Aserbaidschan reisen. Zu unambitioniert, zu wenig, ein Spiel mit dem Feuer – so lassen sich die jüngsten Berichte der Vereinten Nationen zum gegenwärtigen Stand beim Klimaschutz zusammenfassen.
Ein Beispiel: Selbst mit der Umsetzung der nationalen Klimaschutzpläne steuert die Erde laut dem UN-Umweltprogramm Unep bis Ende des Jahrhunderts auf eine Temperaturerhöhung von 2,6 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu. Die Staatengemeinschaft ist damit weit entfernt von dem selbstgesteckten Ziel, die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen.
Auch beim Geld klafft eine große Lücke, vor allem in Ländern des Globalen Südens. Erst kürzlich machte die Internationale Energieagentur (IEA) darauf aufmerksam, dass lediglich 15 Prozent der weltweiten Investitionen in erneuerbare Energie in Entwicklungs- und Schwellenländer fließen, China ausgenommen. Für die Anpassung an die Folgen der Klimakrise wie Fluten oder Dürren fehlen laut UN-Schätzungen von 2023 ebenfalls bis zu 366 Milliarden Dollar pro Jahr.
Vor allem um solche Kalkulationen wird es bei der 29. UN-Klimakonferenz (COP 29) gehen. Denn bei dem Gipfel vom 11. bis 22. November in Aserbaidschans Hauptstadt Baku müssen sich die Staaten auf eine neue Finanzarchitektur der internationalen Klimapolitik einigen.
Konkret geht es um die Klimahilfen für arme Länder, die häufig besonders von den Folgen der Erderwärmung betroffen sind. Dazu zählen etwa die pazifischen Inselstaaten oder viele afrikanische Länder, die zugleich kaum zur Erderwärmung beigetragen haben. „Die Klimafinanzierung wird darüber entscheiden, ob der Gipfel ein Erfolg wird oder nicht“, sagt Sabine Minninger, Referentin für Klimapolitik beim kirchlichen Hilfswerk „Brot für die Welt“. Entwicklungsländer forderten von den Industrieländern jährlich eine Billion US-Dollar an öffentlichen Geldern. Dies sei auch in etwa die Summe, die laut Schätzungen benötigt werde.
Noch gilt ein anderes Ziel, das deutlich darunter liegt. Im Jahr 2009 hatten die Industriestaaten zugesagt, ab 2020 bis 2025 jährlich 100 Milliarden US-Dollar an Klimahilfen für Entwicklungsländer zu mobilisieren. Die Höhe der Summe für die Zeit danach ist noch offen.
Doch nicht nur beim Umfang der zukünftigen Hilfen zeichnet sich Streit ab. Als Knackpunkt gilt vor allem die Frage, welche Länder in Zukunft zur Kasse gebeten werden. Insbesondere China weigert sich bisher – obwohl die aufstrebende Wirtschaftsmacht bezogen auf den Gesamtausstoß seit Jahren der weltweit größte Verursacher von Treibhausgasemissionen ist und auch beim pro-Kopf-Verbrauch aufgeschlossen hat.
Dabei unterstützt China laut dem Oxfam-Experten Jan Kowalzig bereits in einzelnen Ländern durchaus Klimaprojekte. Eine Einigung sei dennoch schwer, „denn auf internationaler Bühne will sich die Regierung zu nichts verpflichten“. Zudem gebe es immer noch die Sicht, dass die alten Industrieländer maßgeblich für die Klimakrise verantwortlich seien.
Doch auch die EU gibt sich in diesem Jahr zumindest vor den Verhandlungen unnachgiebig. Die Einbeziehung neuer Geber nennt der EU-Rat als Voraussetzung, um sich auf ein ambitioniertes Ziel zu einigen – ohne sich bisher auf eine konkrete Summe festzulegen.
Dass die westlichen Industrieländer weitere Staaten – neben China zählen dazu etwa die Golfstaaten – in die Pflicht nehmen wollen, hält Minninger im Prinzip für nachvollziehbar. Allerdings sei es problematisch, sich mit eigenen Zusagen mit Verweis auf die Erweiterung der Geberbasis zurückzuhalten. „Die EU sollte vorangehen und so die ärmsten und verletzlichsten Staaten auf ihre Seite ziehen“, fordert die „Brot für die Welt“-Expertin.
Das für den Klimaschutz in armen Ländern benötigte Geld sei trotz der in vielen Ländern angespannten Haushaltslage in jedem Fall vorhanden, sagt Minninger. Zusätzliche Mittel könnten aus ihrer Sicht etwa durch eine globale Milliardärssteuer mobilisiert werden, wie sie zuletzt von Brasiliens Regierung im Rahmen der G20-Präsidentschaft vorgeschlagen wurde. Das Thema dürfte auch beim kommenden G20-Gipfel zeitgleich zum Auftakt der zweiten COP-Woche am 18. und 19. November in Rio de Janeiro eine Rolle spielen. „Eine Einigung dort würde auch den Verhandlungen in Baku Rückenwind geben“, sagt Minninger.