Großbritannien: Kritik an Asylpakt mit Ruanda

Vieles ist schon vorbereitet: Großbritannien hat das Gesetz über die Abschiebung von Asylbewerbern nach Ruanda verabschiedet. Trotz aller Kritik.

Rishi Sunak hat sich mit seinem Ruanda-Deal durchgesetzt
Rishi Sunak hat sich mit seinem Ruanda-Deal durchgesetztImago / ZUMA Wire

Nach langer Debatte ist in Großbritannien das Gesetz über die Abschiebung von Asylbewerbern nach Ruanda verabschiedet worden. Die ersten Flüge sollen innerhalb der nächsten zehn bis zwölf Wochen starten, teilte die britische Regierung mit.

Insgesamt fünf Mal war der Entwurf zwischen Unterhaus und Oberhaus hin- und hergeschickt worden, bis er schließlich verabschiedet wurde. Das neue Gesetz ermöglicht es Großbritannien, Schutzsuchende ohne Aufenthaltspapiere nach Ruanda abzuschieben, damit sie dort ihr Asylverfahren durchlaufen. Dies soll laut der britischen Regierung als Abschreckung für Geflüchtete und Schleuser dienen. Damit das Gesetz in Kraft tritt, muss König Charles sein Einverständnis geben. Dies wird in den nächsten Tagen erwartet.

25 Gerichtssäle, um Rechtsfälle schnell zu bearbeiten

Durch die Neuregelung wird Ruanda künftig als sicheres Land eingestuft. Damit soll ein juristisches Vorgehen gegen die Abschiebungen erschwert werden. Das Oberste Gericht hatte einen ersten Entwurf Mitte November als nicht vereinbar mit geltenden Menschenrechtsgesetzen kassiert, weil den Flüchtlingen im ostafrikanischen Land kein faires Verfahren garantiert werden könne, Ruanda somit kein sicherer Staat für sie sei. Das Gesetz soll der britischen Regierung zudem ermöglichen, Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht zu befolgen.

Die Regierung arbeite bereits mit Hochdruck daran, den ersten “Umsiedlungsflug durchzuführen”, teilte die Regierung mit. So seien Haftplätze aufgestockt worden und Flugzeuge gebucht. Auch seien 25 Gerichtssäle zur Verfügung gestellt, um Rechtsfälle schnell zu bearbeiten.

Premierminister Rishi Sunak verfolgt das Vorhaben seit seiner Amtsübernahme im Oktober 2022 gegen alle Widerstände und Bedenken. Menschenrechtsgruppen und die UN sehen darin einen Verstoß gegen internationales Recht. Viel Kritik kommt auch wegen der Kosten des Plans. Laut der staatlichen Aufsichtsbehörde National Audit Office (NAO) hat das Vereinigte Königreich Ruanda bereits 220 Millionen Pfund (rund 255 Millionen Euro) an Ruanda gezahlt. Weitere 150 Millionen Pfund sollen folgen sowie zusätzliche Mittel für jede abgeschobene Person.

Volker Türk: Britische Regierung soll Plan überdenken

Nach der Verabschiedung des Gesetzes haben zwei UN-Hochkommissare heftige Kritik geübt. Das britische Gesetz werde schädlichen Auswirkungen auf die globale Verantwortungsteilung, die Menschenrechte und den Flüchtlingsschutz haben, erklärten sie in Genf.

Die Hochkommissare für Flüchtlinge, Filippo Grandi, und für Menschenrechte, Volker Türk, forderten die britische Regierung auf, ihren Plan zu überdenken. Die Regierung solle stattdessen praktische Maßnahmen ergreifen, um irreguläre Flüchtlings- und Migrantenbewegungen durch internationale Zusammenarbeit und Achtung der Menschenrechtsnormen zu bewältigen.

Grandi sagte, die Gesetzgebung sei ein weiterer Schritt weg von der langen Tradition des Vereinigten Königreichs, Menschen in Not zu helfen und verstoße gegen die internationale Flüchtlingskonvention. Die Briten versuchten, die Verantwortung für den Flüchtlingsschutz zu verlagern und schafften einen besorgniserregenden globalen Präzedenzfall.

Pro Asyl: Ruanda-Deal wird nicht funktionieren

Als menschenrechtswidrig und unzweckmäßig hat auch die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl das Ruanda-Gesetz kritisiert. “Die britische Regierung treibt den Deal mit Ruanda auf Teufel komm raus voran, obwohl Abschiebungen in das Land eindeutig rechtswidrig sind, die Zusammenarbeit extrem teuer ist und der Deal in der Praxis absehbar nicht funktionieren wird”, erklärte Pro Asyl in Frankfurt. “Es ist erschreckend, dass auch deutsche Politiker und Politikerinnen diesem zerstörerischen Plan nacheifern und die Illusion nähren, durch solche Modelle ließe sich Flucht verhindern.”

Mit dem Gesetz werde rechtlich festgeschrieben, dass Ruanda ein “sicherer Drittstaat” für Flüchtlinge sei, kommentierte Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl. “Dabei hat der britische Supreme Court erst im November 2023 die konkrete Gefahr festgestellt, dass Flüchtlinge von Ruanda aus in ihre Heimatländer und damit in die Verfolgung abgeschoben werden könnten.”

Die britische Regierung wolle mit dem Gesetz auch die Wirkung der Europäischen Menschenrechtskonvention für Ruanda-Abschiebungsfälle außer Kraft setzen. Die Einhaltung von einstweiligen Anordnungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der im Juni 2022 einen ersten Abschiebungsversuch nach Ruanda in letzter Minute gestoppt hatte, solle für die britische Regierung nur noch optional sein.

Pro Asyl verurteilte Versuche, den Flüchtlingsschutz auszulagern, als Verstoß gegen die internationale Verantwortungsteilung, der sich Staaten mit der Genfer Flüchtlingskonvention verpflichtet hätten.