Gospelkantor Jan Meyer: Kirche reagiert zu spät auf Musik-Trends

Die Regionalbischöfin Petra Bahr wünscht sich mehr christliche Popsongs in den Kirchen. Nachgefragt bei Gospelreferent Jan Meyer aus Hannover: Ist Kirchenmusik nicht cool genug?

Jan Meyer aus Hannover ist studierter Kirchenmusiker, Musik- und Religionspädagoge
Jan Meyer aus Hannover ist studierter Kirchenmusiker, Musik- und ReligionspädagogeAlexandra Bidian

Regionalbischöfin Petra Bahr wünscht sich mehr gute christliche Popsongs. Was sagen Sie zu ihrem Vorstoß?
Jan Meyer: Ich habe den Eindruck, dass aktuell so viel christliche Popmusik entsteht wie kaum zuvor. Viele schaffen es nur leider nicht in unsere Gottesdienste. Einerseits müssen wir in unsere Aus- und Fortbildung investieren, um Menschen zu befähigen, authentisch qualitativ hochwertig Popmusik begleiten zu können. Andererseits braucht es die Offenheit der Gemeinden und die Kenntnis über die Musik, die landauf, landab entsteht. Hier haben wir auch einen Kommunikationsauftrag.

Das neue Evangelische Gesangbuch soll durch eine digitale Datenbank ergänzt werden. Ich erhoffe mir, dass hier kontinuierlich neue christliche Popsongs aufgenommen und in die Gemeinden gebracht werden – und ich wünsche mir, dass wir als Kirche hier nicht erst Jahre später auf neue musikalische Trends reagieren, sondern Strukturen schaffen, die es uns ermöglichen, schnell und flexibel am Puls der Zeit zu bleiben.

Was wünschen Sie sich von Kirche in Sachen Musikförderung?
Neben einer gezielten Aus- und Fortbildung in der Popularmusik braucht es eine flexible Infrastruktur, die es ermöglicht, schnell auf neue musikalische Entwicklungen zu reagieren und diese in die Gemeinden zu bringen. Hier setze ich auf die digitale Bank zum neuen Gesangbuch. Dazu gehört die Förderung neuer Lieder durch Wettbewerbe, Liedwerkstätten und eine digitale Plattform, auf der kontinuierlich neue und relevante Songs zugänglich gemacht werden. So können wir sicherstellen, dass wir mit unserer Musik vielen Zielgruppen eine kirchliche Heimat bieten.

Ihr Steckenpferd ist Gospelmusik. Was macht Gospel so besonders?
In den USA ist die Gospelmusik eng mit der weltlichen Musikszene verflochten, Musiker:innen wie Aretha Franklin, John Legend oder sogar Beyoncé sind in der Kirche groß geworden, der Sound der Kirchen prägt die weltliche Popmusik und umgekehrt. Gospel gelingt es, aktuelle Hörgewohnheiten aufzunehmen, aber auch mit ihnen zu brechen.

Es gibt Songs, die musikalisch höchst anspruchsvoll sind und professionelle Bands benötigen. Gleichzeitig gibt es aber auch viele Lieder, die für Sängerinnen und Sänger voraussetzungsfrei komponiert sind: auch Stimmentdecker:innen erleben so sehr schnell ein Gemeinschaftsgefühl und werden Teil des großen Ganzen. Das ist das große Plus der Gospelmusik.

Und es ist mittlerweile längst durch Studien klar: Gospel spricht zum großen Teil Zielgruppen an, die von anderen kirchlichen Formaten nicht erreicht werden.

 

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Auch Worship gehört zu Ihrem musikalischem Angebot. Ist die Freikirche cooler, was Musik angeht?
Wir als Landeskirchen können viel von den Freikirchen lernen in Sachen Atmosphäre und Emotion, in der Spannung zwischen “Alltagsweltlichkeit” und “Heiligkeit”. Ich bin aber auch sehr dankbar, dass freikirchliche und landeskirchliche Musikerinnen und Musiker längst im Gespräch miteinander sind und sich auf großen Tagungen wie dem Spirit-Kongress begegnen, miteinander austauschen und voneinander lernen. Das braucht es viel mehr, über die Grenzen der Kirchen und Konfessionen hinweg, denn uns eint alle der selbe Wunsch: zeitgenössische, authentische und gute Popmusik zu schreiben, die unser gottesdienstliches Leben bereichert.

Wie reagieren Sie auf Kritiker, die fürchten, bei modernen Songs fehle die theologische Tiefe?
Theologische Tiefe ist nicht das einzige Kriterium für gute Kirchenmusik. Und Einfachheit sowie alltagsweltliche Sprache sind nicht mit Banalität zu verwechseln. Gerade der Worshipmusik wird immer noch vorgeworfen, sie sei textlich einseitig, auf bestimmte theologische Konzepte begrenzt und liturgisch auf das Gloria enggeführt. Mittlerweile gibt es aber auch in der Worshipszene Bemühungen, das Thementableu deutlich zu weiten und Themen wie Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung, Klage, Zweifel aufzugreifen. Gerade hier brauchen wir theologische Expertise, pluralere und inklusivere Gottesbilder, diskriminierungsfreie Sprache etc.

Was erhoffen Sie sich vom Popkonvent am Wochenende in Hannover – einer Tagung rund um Popularmusik in der Kirche?
Der Popkonvent in der hannoverschen Landeskirche vernetzt als Fachmeeting all die, die Popmusik in den Kirchen vorantreiben wollen. Der Abend der Liedermacher:innen und der Abschlussgottesdienst werden authentische Zeugnisse von Pop und Kirche liefern. Der Samstag bietet Talks rund um Pop und Kirche, Workshops von Klavierbegleitung im Gottesdienst über Groove im Gospelchor bis hin zu den auch hier aufgeworfenen Fragen zur Komposition von neuen Liedern. Das Forum Light & Sound findet erstmals in der Landeskirche statt und legt den Schwerpunkt auf all das, was wichtig ist, um Popmusik auch stimmig zu erleben. Wir brauchen mehr solcher Events, um uns zu vernetzen, fortzubilden und gegenseitig zu stärken.

Website von Jan Meyer