Weltklimakonferenz die 30. Im November geht es im brasilianischen Belem auch um den Schutz der Regenwälder. Was auf dem Spiel steht, zeigt ein Blick nach Peru.
Geopolitische Spannungen, Chinas Kampf um weltweiten Einfluss und Donald Trumps Zollpolitik: In Krisen verspricht Gold Sicherheit. Der Goldpreis befindet sich, trotz mancher Schwankungen, derzeit auf Höhenflügen. Doch die Suche nach einer vermeintlich sicheren Anlagemöglichkeit hat Konsequenzen für Mensch und Natur. Gold kann Gift sein.
Zum Beispiel in Peru. Das Andenland, dessen Fläche zu zwei Dritteln im Amazonasgebiet liegt, ist der größte Goldproduzent Südamerikas. Doch in der südwestlichen Amazonasregion Madre de Dios, die an Bolivien und Brasilien grenzt, hat der Goldrausch verheerende Auswirkungen auf den Regenwald und die Gesundheit der dort lebenden Menschen.
Seit Beginn des Jahrtausends boomt in der Region das illegale Goldschürfen. Der Biologe Cesar Ascorra vom Centro de Innovación Cientifica Amazónica (CINCIA) in Puerto Maldonado, der größten Stadt der Region, kann das mit ein paar Statistiken belegen. “Die Kurve des internationalen Goldpreises geht fast parallel zur Kurve der Regenwald-Verluste in der Region”, sagt der Wissenschaftler. Die illegalen Goldexporte aus Peru sind bereits 2024 auf einen Wert von 6,8 Milliarden Dollar geklettert, 41 Prozent mehr als 2023, berichtet er. Im ganzen Land gibt es Schätzungen zufolge über 30.000 Goldminen ohne Genehmigung.
Der Goldrausch hat aus der Regenwaldregion Madre de Dios, die größer als Bayern ist, eine der am schnellsten wachsenden Regionen in Peru gemacht. Mindestens 50.000 Goldschürfer haben sich angesiedelt, schätzt die deutsche Hilfsorganisation Caritas international. Vor allem arme Peruanerinnen und Peruaner aus den Anden kommen hierher, weil sie sich im Amazonasbecken ein besseres Leben erhoffen.
Auch die breiten Regenwaldflüsse kommen aus den Anden und führen seit Jahrtausenden den begehrten Goldstaub mit. Goldschürfer müssen ihn aus dem Gestein und Schlamm isolieren. Das Schürfen macht grüne Regenwälder zu Sand- und Schlammwüsten. Mehr als 3.000 Tonnen Quecksilber, die zur Trennung des Goldes aus Sand und Gestein genutzt werden, sind in den vergangenen 20 Jahren in die Flüsse gelangt, rechnet das peruanische Umweltministerium vor. Das hoch giftige Metall lagert sich in Tieren, Pflanzen und sogar den Menschen ab, die sich in dieser Region vor allem vom Fisch ernähren.
Geschätzt mehr als die Hälfte der rund 100.000 Einwohner von Puerto Maldonado – was übersetzt “verfluchter Hafen” bedeutet – haben Quecksilberblutwerte, die doppelt so hoch sind wie die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Werte. Quecksilber kann Nierenleiden, Nervenschäden, Gedächtnisverlust, Sprach- oder Bewegungsprobleme verursachen. “Aber das ist ein Tabuthema in Madre de Dios”, betont Biologe Ascorra.
Der Kampf gegen die Vernichtung des Regenwalds gleicht einem Kampf gegen Windmühlen. Mühsam wälzt sich der Verkehr über die Landstraße “Interoceanico” durch die Region “La Pampa”, einen der Hotspots des illegalen Goldabbaus. Laut knatternde Motorräder und Ein-Achser verbreiten Benzingestank; riesige Lkw beanspruchen rücksichtslos Vorfahrt auf der schmalen Straße. An ihre Rändern reiht sich Kilometer um Kilometer ein Band von Wellblechhütten, Häusern im Rohbau und wenigen schicken Läden.
Eine Atmosphäre, wie sie ähnlich im 19. Jahrhundert beim Goldrausch in Kalifornien und am Klondike in Alaska geherrscht haben muss. In dieser krebsartig wuchernden Siedlung kann man alles kaufen: rostige Autos, glitzernde Motorräder und Kühlschränke, Werkzeug und große Sägen, Unmengen an Obst und Gemüse – und Prostitution. Ein Eldorado von Kriminalität und Elend.
Und schon ein paar hundert Meter im Rücken der Siedlungsschlange beginnt eine Mondlandschaft: Baumskelette zergliedern den Horizont. Wo früher üppiger Regenwald wuchs, wandert das Auge über Sandwüsten, nur unterbrochen von schmutzigen Wasserlöchern und großen Holzgestellen mit Pumpen, Motoren, Schläuchen und steilen Rutschen, mit deren Hilfe das Gold aus dem Boden gelöst wurde.
Zwischen 2021 und 2024, so rechnet CINCIA vor, wurden in der südlichen Amazonasregion Perus 30.846 Hektar Regenwald vernichtet; das entspricht etwa der Größe Münchens. 75 Prozent des Goldabbaus fand in einem Korridor statt, in dem die peruanische Regierung Einzelpersonen und kleinen Unternehmen das Schürfen erlaubt hat, so die Wissenschaftsorganisation. Der Rest war illegal – in eigentlich geschützten Regionen, den Territorien der Ureinwohner oder in besonders wichtigen Wassereinzugsregionen, den ausgewiesenen Übergangsbereichen des Naturschutzgebietes “Tambopata”.
Den Raubbau abbremsen und sogar bei der Wiederaufforstung helfen: Das hat sich sogar das peruanische Militär auf die Fahnen geschrieben. Am “Militärstandort Grau” in “La Pampa” rüsten sich junge Soldaten für die Fahrt ins Camp “Alfa Balata” – einen Stützpunkt mitten im Goldschürfergebiet. Gewehre, kugelsichere Westen, vermummte Gesichter: Die grimmig blickenden Soldaten sollen gemeinsam mit den Einsatzkräften der Polizei verhindern, dass das illegale Goldschürfen im Schutzgebiet weitergeht. Und sie helfen den Biologen sogar dabei, im verwüsteten Gebiet nach einem genauen Plan neue Bäume anzupflanzen.
Mit knatternden “Cargueros”, geländegängigen Transportfahrzeugen mit Auflagefläche, geht es zunächst durch intakten Regenwald, der dichte Wände an beiden Seiten des Weges bildet. Doch dann Sandwüste, Schlamm- und Wasserlöcher, soweit das Auge reicht. Nach einer halben Stunde stoppt die kleine Kolonne – und muss umkehren. Beim Camp “Alfa Balata” sei es zu Gewalt zwischen Polizei und Goldschürfern gekommen, heißt es. Die Bevölkerung sei aufgebracht – und Journalisten sollten jetzt lieber nicht dort auftauchen.
Gewalt gehört zum Alltag in dieser Region. Im Februar 2019 hatte die peruanische Polizei mit militärischer Unterstützung in einer Großrazzia das Gebiet von La Pampa besetzt, die Maschinen der Goldschürfer zerstört und die Menschen vertrieben. Seitdem sollen Militärs Fremde davon abhalten, die Zone zu betreten. Doch die Razzia mit dem Namen “Operation Quecksilber” hatte nur bedingt Erfolg: Mittlerweile wurde die Zahl der Soldaten zurückgefahren; dort ansässige Polizisten gelten als korrupt. Die illegalen Goldschürfer sickern langsam wieder ein – oder sind einfach in andere Gebiete umgezogen.
“Illegales Goldschürfen lässt sich nicht verbieten”, sagt Biologe Ascorra, der bei Umwelt- und Fairtrade-Projekten mit der deutschen und der peruanischen Caritas zusammengearbeitet hat. “Dem internationalen Markt ist es egal, woher das Gold kommt.” Und die Armen verdienen im Zweifel mehr als mit Landwirtschaft.
Der Biologe ist Pragmatiker. “Wenn wir die besten Technologien einsetzen, die oberste Vegetationsschicht abtragen und aufbewahren – dann kann ich das Loch wieder zumachen und den aufbewahrten Boden wieder draufsetzen.” Ein abgeholzter Primärwald werde nie zu ersetzen sein. Auch fairer Goldabbau schade der Umwelt. Doch zumindest will der Biologe Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich die Natur zurückkämpfen kann.
Auch das “Projekt Minería Verde” hat sich das zum Ziel gesetzt. Die Initiative will eine quecksilberfreie Goldlieferkette im peruanischen Amazonasgebiet aufbauen – und den beteiligten Arbeitern ein faires Einkommen schaffen. Gold ohne Gift: Bergleute der Genossenschaft “Tauro Fátima Artisanal Miners Association” (AMATAF) in der Region Madre de Dios wurden seit 2019 auf quecksilberfreie Techniken eigens geschult. Außerdem lernten sie, den durch den Goldabbau zerstörten Amazonas-Regenwald aufzuforsten.
Wie die quecksilberfreie Technik funktioniert, lässt sich in einem Start-Up mitten im Hinterhofgewirr von “La Pampa” beobachten. Hugo Quispe, Ende 40, dichtes schwarzes Haar und Besitzer der Goldmine Linda Dos, gehört zu einigen wenigen kleinen Minenbesitzern in Peru, die sogenanntes “faires Gold” fördern. Mit viel Aufwand und höheren Kosten allerdings: Er lässt goldhaltigen Sand und Schlamm mit viel Wasser über einen Rütteltisch leiten.
Innerhalb einer halben Stunde lagert sich ein goldschimmernder Saum am Tischrand ab, während die leichteren Bestandteile weggeschwemmt werden. Vorsichtig sammeln Quispe und seine Mitarbeiter die Goldkörnchen in einem Gefäß und schmelzen sie zu kleinen Nuggets. “Zehn bis zwölf Kilo goldhaltiges Rohmaterial erhalten wir, wenn wir rund 250 Tonnen Erde durchgewaschen haben”, sagt Juvenal Aria von AMATAV. “Daraus werden schließlich 15 bis 18 Gramm Gold gefiltert.”
Gerütteltes Gold, faires Gold: Ob sich diese umweltfreundliche Produktion durchsetzt, hängt nicht zuletzt von Juwelieren und Verbrauchern in Europa ab. Sie könnten zertifiziertes Fair-Trade-Gold kaufen.