Göring-Eckardt: Pazifismus funktioniert bei Putin nicht

Zwei ehemalige Präses der Evangelischen Kirche melden sich im Diskurs um Waffenlieferungen an die Ukraine zu Wort. Für Katrin Göring-Eckardt und Irmgard Schwaetzer gibt es nur eine Option.

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring Eckardt Anfang Februar zu Besuch in Borodjanka, Ukraine
Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring Eckardt Anfang Februar zu Besuch in Borodjanka, UkraineImago / Ukrinform

Die Politikerinnen Katrin Göring-Eckardt (Grüne) und Irmgard Schwaetzer (FDP) haben mit Blick auf den Ukraine-Konflikt vor einem Pazifismus gewarnt, der Russland belohnt. Wer in der jetzigen Lage einen vorbehaltlosen Waffenstillstand mit einem sofortigen Ende aller militärischen Unterstützung für die Ukraine einfordere, „verlangt in Wahrheit von der Ukraine ihre Unterwerfung“, heißt es in einem Gastbeitrag von Göring-Eckardt und Schwaetzer in der Tageszeitung Die Welt. Beide waren früher Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

„Angesichts schwerster Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine darf unsere Friedenssehnsucht nicht der alleinige Maßstab sein – auch wenn Pazifismus zum Christentum gehört. Aber im Fall von Putin funktioniert er nicht“, unterstrichen Schwaetzer, die bis 2002 für die FDP Mitglied des Deutschen Bundestages war, und Göring-Eckardt, der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages.

Christliche Gebot verpflichtet zu helfen

„Das ist kein friedlicher Pazifismus, sondern einer, der den Aggressor belohnt, und der gerade nicht gewaltfrei ist“, fügten beide Politikerinnen hinzu: „Im Gegenteil. Der Status quo bedeutet: Putin und seine Leute werden weiter unschuldige Ukrainerinnen und Ukrainer überfallen, einsperren, verschleppen oder unterdrücken, solange sie nicht ‚russisch‘ sind. Genau wie es seit Jahren im Donbass, in Luhansk oder auf der Krim geschieht.“

Waffenunterstützung schaffe in diesem Falle Freiheit und begrenze das furchtbare Leiden, fügten Schwaetzer und Göring-Eckardt hinzu: „Das christliche Gebot der Sorge und Mitverantwortung für die Nächsten, für den unter die Räuber Gefallenen, erlaubt, ja, verpflichtet uns, der Ukraine zu helfen, wenn Menschen von Russland ermordet, gefoltert, erniedrigt, vertrieben werden. Es geht um Hilfe zur Selbstverteidigung, ohne selbst Kriegspartei zu werden.“

Es stehe für sie beide außer Frage, „dass die internationale Gemeinschaft niemals einem Erpresser nachgeben kann: Sie würde nicht nur ihre eigenen Werte verraten und die Ansprüche des Völkerrechts aufgeben, sondern geradezu die Wahrscheinlichkeit von noch mehr weltweitem Unrecht erhöhen“, heißt es in dem Gastbeitrag weiter: „Wer Putin nicht Einhalt gebietet, ermuntert ihn, seine völkerrechtswidrigen imperialistischen Fantasien weiterzutreiben. Er wird nicht von allein stoppen.“

„Auch wir in der Evangelischen Kirche in Deutschland mussten uns fragen, ob Überzeugungen und Gewissheiten, die uns Christinnen und Christen vor ein paar Jahren noch getragen hatten, heute noch gelten können“, räumten Schwaetzer und Göring-Eckardt ein: „Wir haben über Jahrzehnte darauf vertraut, dass die internationale Rechtsordnung, die nach dem Zweiten Weltkrieg Schritt für Schritt geschaffen worden ist, allgemeingültig ist und bleibt. Putin hat dieses Vertrauen zerstört. Um im Gleichnis zu sprechen: Die Ukraine ist unter die Räuber gefallen und es ist keine Option, einfach vorbeizugehen.“