Glückauf Zukunft!

Mit einem Projekt wird der Abschied von der Kohle begangen und zugleich ein Zeichen für die Zukunft gesetzt

Seit Jahrhunderten wird im Ruhrgebiet Kohle abgebaut. Angeblich fing alles an mit den glühenden Steinen im Muttental. Der Weg führte von den Anfängen des Tagebaus im 13. Jahrhundert über die erste Bergbaugenossenschaft im 16. und die Bergämter für den Tiefbau im 18. Jahrhundert, die Schiffbarmachung der Ruhr zum Transport der Kohle bis zur hochindustrialisierten Förderung von Steinkohle im 20. Jahrhundert. Der Höhepunkt mit rund einer halben Million Beschäftigten liegt fast 60 Jahre zurück. Im südlichen Ruhrgebiet wurden schon Ende der 1950er Jahre die ersten Schächte wieder verfüllt, auch große Zechen schlossen ihre Tore.
Heute erzählen Fördertürme von alten Zeiten. Die Route der Industrie­kultur mit Veranstaltungsorten in ehemaligen Schachtanlagen oder Stahlwerken hält Erinnerungen an schwere Arbeit wach und an eine Kultur, die Begriffe wie Solidarität und Identität zu füllen wusste.
1990 wurde der letzte Schacht in Betrieb genommen: Auguste Victoria Schacht 9. Dort wurde im Dezember 2015 die letzte Schicht verfahren. In diesem Jahr 2018 ist auch in Bottrop Schluss – und in Ibbenbüren. Das Ende des Steinkohlebergbaus in Deutschland!
Kohle und Stahl waren einmal Basis unserer Wirtschaftskraft. Die technischen Herausforderungen der Förderung aus immer größerer Tiefe haben kluge Ingenieure gemeistert. Bergbautechnik aus Deutschland hat einen Namen!
Mit Wehmut begleiten besonders ehemalige Kumpel, ihre Familien und Menschen, die in Zulieferfirmen gearbeitet haben, nun den Abschied von der Kohle. Vielleicht auch, weil die Arbeit unter Tage Grenzen vor Augen führt, weil Gefährdung und Gefahren allgegenwärtig sind, weil es täglich befreiend ist, wieder zu Tage zu kommen, weil die Tiefen nachdenklich machen, weil der Berg Geheimnisse birgt.

So steht es im Buch Hiob (28. Kapitel). Manches ist geblieben wie damals.
Der Bergbau war und ist besonders. Im Bergbau wurde immer anständig Geld verdient: Die Löhne waren ordentlich, die Arbeitsbedingungen vernünftig – mit hohen Sicherheits- und Sozialstandards. Umstrukturierungen des Betriebs und Abbau von Arbeitsplätzen konnten weitgehend so gestaltet werden, dass niemand ins Bergfreie fiel. Mit der Gemeinsamen Sozialarbeit der Konfessionen haben die Kirchen die Prozesse intensiv begleitet.
Bei aller Wehmut: Die Entscheidung, den Kohlebergbau einzustellen, wird inzwischen auch von den Bergleuten akzeptiert. Und die Entwicklung einer alternativen Energieversorgung aus regenerativen Quellen tut uns allen und dem Klima gut!
Der Abschied von vielen Zechen wurde feierlich begangen mit Konzerten, Gottesdiensten, Festen, Versammlungen oder Theaterstücken. Das soll so sein. Wir brauchen Riten, eine gute Gestaltung des letzten Mals. Wir brauchen den Blick zurück, um die Erfahrungen für morgen zu nutzen: Anständig Geld verdienen, sich identifizieren mit einer Region und ihrer (Bergbau-)Kultur, Zuverlässigkeit, Solidarität, Direktheit und Klarheit – lauter „Tugenden“ des Bergbaus, die lebendig  bleiben und Spuren hinterlassen; auch Nachdenklichkeit, wo denn Weisheit und Einsicht zu finden sind.
„Glückauf Zukunft!“ heißt das Projekt, mit dem die Ruhrkohle nun den Abschied begeht und gleichzeitig Zeichen setzen will für die Zukunft des Ruhrgebiets. Die RAG versucht, ihre Verantwortung für das „Vermächtnis“ des Bergbaus über die Wasserhaltung und die Entwicklung von Flächen hinaus wahrzunehmen. In Zusammenarbeit mit Kommunen, Verbänden und Vereinen, Schulen, Kultureinrichtungen, Kirchen und vielen anderen Partnern wurden Forschungsprojekte umgesetzt, Bücher veröffentlicht, Ausstellungen präsentiert und eine Vielzahl von Veranstaltungen geplant.
Im Rahmen von „Glückauf Zukunft!“ thematisiert das Institut für Kirche und Gesellschaft die Frage, welchen Beitrag der Bergbau aus seiner Geschichte für die Zukunft der Region und der Arbeitswelt leisten kann. Interviews mit Bewohnerinnen und Bewohnern der sogenannten Zechenkolonien zeigen, wie wichtig gutes Wohnen ist, Zugewanderte berichten von ihren Erfahrungen im Miteinander bei der Arbeit und im Alltag, Mitarbeitende fragen nach dem Erbe der Montanmitbestimmung, die Verbindung von Kohle, Kultur und Kirche wird sichtbar. Bei Fachtagen, Tagungen oder Gottesdiensten werden Gemeinsamkeiten von Kirche und Bergbau und auch ihr kritischer Umgang miteinander deutlich: