Geteiltes Echo auf Beschlüsse zur Flüchtlingsfinanzierung

Der niedersächsische Flüchtlingsrat und der Osnabrücker Flüchtlingsforscher Jochen Oltmer sehen die Einigung von Bund und Ländern zu den Flüchtlingskosten kritisch. Oltmer sagte dem Evangelischen Pressedienst, es verfehle sein Ziel, wenn Sozialleistungen für Flüchtlinge gekürzt werden. Flüchtlingsratsgeschäftsführer Muzaffer Öztürkyilmaz sprach am Dienstag von einem „Wettlauf der Schäbigkeiten“. Dagegen hofft Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne), dass die getroffene „gesamtgesellschaftliche Einigung“ für Handlungsfähigkeit sorge. Der Niedersächsische Städtetag mahnte Eile bei der Umsetzung an.

In der Nacht zu Dienstag hatten sich Bund und Länder unter anderem darauf geeinigt, die Sozialleistungen für Flüchtlinge zu reduzieren. Asylbewerber im laufenden Verfahren, die bislang nach 18 Monaten Anspruch auf Bürgergeld haben, sollen künftig 36 Monate lang nur die niedrigeren Asylbewerberleistungen erhalten. Mit einer Bezahlkarte soll zudem die Verfügung über Bargeld eingeschränkt werden. So soll die Anziehungskraft des deutschen Sozialstaats reduziert werden, schrieb Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) auf X (vormals Twitter).

Oltmer bezweifelt dies. „Migration und Fluchtbewegungen sind viel komplizierter“, sagte er. Die Politik verkenne die Hintergründe. „Sie verkennt, dass sich Menschen nicht einfach irgendwohin lenken lassen.“ Andere Faktoren seien entscheidender, erläuterte der Historiker am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück. Geflüchtete gingen dorthin, wo sie schon Verwandte und Freunde hätten. Auch dass Deutschland ein Rechtsstaat und eine stabile Demokratie mit funktionierender Wirtschaft sei und Asylverfahren nach rechtsstaatlichen Regeln durchführe, mache das Land attraktiv.

Aus Sicht des Flüchtlingsrates hat Deutschland mit den neuen Vereinbarungen die im Jahr 2015 ausgerufene „Willkommenskultur“ endgültig beerdigt. „In der Hoffnung, der rechtsextremen AfD Wählerstimmen abzujagen, überbieten auch die demokratischen Parteien einander in einem sich täglich weiter aufschaukelnden Wettbewerb der Abschreckung“, kritisierte Öztürkyilmaz. Eine Kürzung der Sozialleistungen vergrößere lediglich die Not von Menschen und befördere deren soziale Ausgrenzung.

Kommunen in Niedersachsen drängen dagegen auf eine schnelle Umsetzung der Bund-Länder-Beschlüsse. „Die Maßnahmen auf dem Papier werden Entlastung bringen, wenn der Bund und die Länder sie tatsächlich auf die Straße bringen“, sagte der Präsident des Niedersächsischen Städtetags, Frank Klingebiel. Der Oberbürgermeister von Salzgitter (CDU) mahnte einen „Deutschlandtakt“ an, so müsse die Bezahlkarte schon zum 1. Januar eingeführt werden. Er zweifelte zugleich daran, dass die finanziellen Zusagen des Bundes ausreichen, um die Kommunen von den Kosten für Geflüchtete freizustellen. Die Mehrheit der Kommunen sei bereits am Limit, mahnte er.

Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) nannte die Einigung ein positives Signal, nach einem Ringen um Kompromisse. „Es ist jetzt die Verantwortung aller demokratischen Kräfte, den Worten Taten folgen zu lassen und die tragfähigen Kompromisse umzusetzen, statt Populismus zu bedienen“, sagte sie. Indem der Bund je Flüchtling nun eine Pauschale von 7.500 Euro im Jahr zahle, übernehme er Verantwortung und beteilige sich an den real existierenden Kosten in den Ländern und Kommunen.