Genomisches Neugeborenenscreening

Seit fast 55 Jahren gibt es das Neugeborenenscreening. Dabei wird ein Tropfen Blut aus der Ferse eines Neugeborenen entnommen und untersucht. Bislang wird auf 19 angeborene Krankheiten getestet. Damit können angeborene Krankheiten möglichst früh erkannt und behandelt werden, die sonst eine schwere Entwicklungsbeeinträchtigung, Krankheit oder Tod bedeuten.

Dies ist besonders wichtig bei Kindern, die bei der Geburt keine Symptome zeigen. Durch eine frühzeitige Diagnose soll ihnen das Leid durch schwerste Behinderungen und Tod erspart und das Gesundheitssystem finanziell nachhaltig entlastet werden. Medizinern zufolge ist das Neugeborenenscreening die wichtigste Maßnahme der medizinischen Sekundärprävention.

Heute ist eine Sequenzierung des gesamten Erbguts schnell und kostengünstig möglich. Als diagnostischer Test wird sie heute für bereits erkrankte Kinder und Erwachsene angeboten. Überlegt wird, künftig auch das Genom von Neugeborenen zu untersuchen, um möglichst viele Erbkrankheiten zu entdecken. Im Projekt „New Lives“ diskutieren Wissenschaftler über die Einführung eines genomisches Neugeborenenscreening (gNBS) aus medizinischer, rechtlicher und ethischer Perspektive.

Denn nicht jede Auffälligkeit bedeutet, dass es zu einer Erkrankung kommt. Manche treten zudem erst spät im Leben auf. Nicht jede entdeckte Krankheit kann auch behandelt werden. Zudem hat jeder Mensch das Recht auf „Nichtwissen“. Daher solle nur nach schweren und therapierbaren Erbkrankheiten gesucht werden, die im frühen Kindesalter, auftreten und gut behandelbar sind, sagt Professor Christian Schaaf, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Humangenetik an der Uniklinik Heidelberg.

Aus Sicht der Medizinethik gehe es darum, Chancen und Risiken der Untersuchung abzuwägen, sagt die Heidelberger Medizinethikerin, Professorin Eva Winkler. Dabei müssten die Interessen und Rechte der Neugeborenen und ihrer Familien im Blick behalten werden,

Als größte juristische Herausforderung bezeichnete es der Direktor des Instituts für Medizinrecht an der Uni Mannheim, Professor Ralf Müller-Terpetz, die Grundrechte von Neugeborenen zu wahren. Deshalb sei eine gründliche Information der Eltern und deren Zustimmung für eine solche Untersuchung erforderlich. Zudem seien die Daten nicht nur für die Getesteten relevant, sondern auch für „genetisch verwandte Personen“.

Der Nutzung von solch sensiblen Daten müssten engen Grenzen gesetzt werden, sagte Müller-Terpetz. Keinesfalls dürften die Daten Dritten zugänglich gemacht werden, wie beispielsweise den Krankenkassen. (0764/11.04.2024)